Wir haben vor einiger Zeit in unserem Bullshit-Bingo die beliebtesten Reaktionen auf Kritik am Gendermarketing versammelt. Nachdem unsere Initiative der Goldene Zaunpfahl mancherorts auf Unverständnis stößt, und Reaktionen bei Menschen provoziert, die wohl schon lange nicht mehr für oder mit Kindern einkaufen waren, wollen wir hier Antworten liefern. Und wir freuen wir uns, wenn wir damit ein paar Argumente beisteuern können, um die Diskussion über die einengenden Botschaften des Gendermarketing am Laufen zu halten :)
Überarbeitet am 09.06.18
Es sind doch nur Farben
Mit Rosa und Hellblau sind, so wie mit anderen Farben auch, unterschiedliche Eigenschaften verbunden, abhängig von Kultur und Epoche. Es ist ja kein Zufall, dass die Bösen im Hollywoodfilm Schwarz tragen, während die gute Fee (Braut, Königin…) in Weiß gekleidet ist.
Es spricht auch überhaupt nichts gegen die Farben Rosa, Lila oder Pink, aber sie werden vereinnahmt von der Werbeindustrie und zunehmend mit Schönheit, Anmut und Zartheit in Verbindung gebracht. Gendermarketing hat mit dazu beigetragen, dass Rosa heute als niedlich und sexy gilt und dass die Farbe Mädchen vorbehalten ist („Das ist aber ne Mädchenfarbe!„), anstatt dass sie für alle da wäre, denen sie gefällt.
Deshalb lässt sich erst dann, wenn Spielzeug aus den Bereichen Schönheit, Pflege, Haushalt auch öfter mal in schwarz oder grün verpackt wird und erst dann, wenn auch Experimentierkästen und Konstruktionssets, deren Verpackung mit Jungs bebildert sind, mit Pink beworben werden, vielleicht sagen „Es sind einfach nur Farben“.
Unternehmen müssen ihre Produkte nun mal verkaufen.
Ja, richtig. Der Umsatz steht über der sozialen Verantwortung, und die Idee der Corporate Social Responsibility taugt oft nur als Feigenblatt. Das gilt ja auch für Smartphones, die nicht ohne Kinderarbeit hergestellt werden, und doch wird uns vermittelt, wir bräuchten alle 2 Jahre ein neues. Unternehmen müssen ja schließlich verkaufen. Vielleicht funktioniert unsere Welt auch deshalb so fair und frei von Diskriminierung, weil wir Wirtschaftswachstum über alles stellen und diese Priorität auch bei den Botschaften des Gendermarketing nicht infrage stellen.
Ich lasse mich von Werbung sowieso nicht beeinflussen.
Die Marketingindustrie beziffert ihren eigenen, jährlichen Umsatz auf 30 Milliarden Euro und sie erforscht seit vielen Jahrzehnten, wie sich KäuferInnen am besten beeinflussen und zum Kauf bewegen lassen, idealerweise unbewusst. Ziel von Werbung ist es, in zufriedenen, wunschlos glücklichen Menschen, völlig neue Bedürfnisse zu wecken, die sie zuvor noch nicht hatten. Nur bei mir schafft sie das nicht, denn ich entscheide selbst. #findedenfehler
Mädchen lieben eben Rosa.
Es ist grade einmal 100 Jahre her, da war Rosa gar keine „Mädchenfarbe“ und die Zuweisung „Mädchen lieben Rosa“ galt genau umgekehrt: Rot war in allen seinen Abstufungen die Farbe der Herrschenden, Könige trugen Rot (der Papst trägt bis heute Violett). Rot war also eine männlich konnotierte Farbe, und Rosa, „das kleine Rot“ war Jungen vorbehalten, es galt als die stärkere Farbe. Blau dagegen war in der christlichen Tradition die Farbe Marias und Hellblau, „das kleine Blau“ dementsprechend die Farbe für Mädchen, es galt als feiner und eleganter. Heute lernen Mädchen von Geburt an, dass Rosa eine weiblich konnotierte Farbe ist, in 100 Jahren könnte das schon wieder ganz anders aussehen.
Nur wer keine Hobbys / echten Probleme hat, regt sich darüber auf.
Wir wünschen allen viel Energie und Ausdauer, sich nicht hier, sondern genau dort zu engagieren, wo sie die wahren Probleme dieser Welt sehen. Kommentieren Sie gerne im Tierschutzforum oder engagieren Sie sich für mehr Fahrradwege. Wir sind die Letzten, die sich Ihnen in den Weg stellen werden, denn wir sind schon mit unserm Hobby der Geschlechtergerechtigkeit beschäftigt.
Ich habe früher auch mit xx gespielt und bin heute ja auch emanzipiert, also!“
Wer Teil einer Gesellschaft ist, hat auch deren Werte verinnerlicht. Deshalb melden auch nur ganz wenige Väter ihre Söhne, wenn die sich für Musik und Tanz interessieren, mit der allergrößten Selbstverständlichkeit zum Ballettunterricht an. Und selbst jene, denen es gelingt, sich in vielen, persönlichen Entscheidungen von kulturellen Zuschreibungen frei zu machen, sind doch angewiesen auf die vorhandenen Strukturen, selbst wenn diese bestimmte Gruppen benachteiligen. Dass Frauen mehr Geld in Schönheitsprodukte investieren, sich mehr von ihnen für die schlechter bezahlte Carearbeit entscheiden[1] und später häufiger in Altersarmut leben, wird als „natürlich“ empfunden.
Doch Studien belegen einen Zusammenhang zwischen stereotypem Spielzeug und dem Selbstbewusstsein von Kindern. Für Jungen und Mädchen gilt: Je tiefer sie in die Spielzeugwelt der schönen, schlanken, passiven Prinzessinnen eintauchen, desto stereotyper wird ihr eigenes Verhalten: „We know that girls who strongly adhere to female gender stereotypes feel like they can’t do some things,“ sagt Sarah M. Coyne, Leiterin der Studie. „They’re not as confident that they can do well in math and science. They don’t like getting dirty, so they’re less likely to try and experiment with things.“ [2]
[1] 80% der Carearbeit wird von Frauen übernommen. Bundesagentur für Arbeit: Der Arbeitsmarkt in Deutschland. Gesundheits- und Pflegeberufe. Arbeitsmarktberichterstattung – 2011. 2011, S. 8
[2] https://news.byu.edu/news/disney-princesses-not-brave-enough und http://well.blogs.nytimes.com/2016/06/27/disney-princesses-do-change-girls-and-boys-too/?_r=0
Wir reproduzieren keine Geschlechterklischees, wir reagieren nur auf Wünsche der KonsumentInnen
Werbung setzt durch Wiederholung Regeln und schafft Normen, wie ein Mann, eine Frau zu sein, zu essen, sich zu kleiden, wofür er oder sie sich zu interessieren hat. Die schiere Masse an Bildern, mit denen wir Tag für Tag konfrontiert werden, führt zu einer Verstärkung und Einengung dessen, was angeblich normal ist. Schwierig bis unmöglich schon für einen Erwachsenen, davon unabhängige Entscheidungen zu treffen. Undenkbar für ein Kind, das gerade erst dabei ist, die eigenen Vorlieben zu entdecken.[1]
[1] http://blog.hubspot.de/marketing/wie-marken-uns-manipulieren
Es wird gekauft, also gibt es einen Bedarf“
Für die Werbung der 1950er mag das zutreffen. Doch Marketing heute funktioniert anderherum: der Fokus liegt darauf, zuerst einen (nicht vorhandenen) Bedarf zu schaffen, um ihn dann zu befriedigen.[1]
[1] Beispiel Fitness-Armbänder / Wearables:
http://www.stroeer.de/magazin/bewegte-zukunft-in-einer-mobilen-welt-update/wearables-potenziale-fuer-werbung-und-marketing.html
Wenn die Eltern das mit ihren Kindern nicht geklärt kriegen, können doch die Firmen nichts dafür.“
Es braucht ein ganzes Dorf um ein Kind zu erziehen. Kinder lernen nicht allein von ihren Eltern, die Regeln des gesellschaftlichen Miteinanders erfahren sie auch durch den Nachbarn, die Bäckerin, den Erzieher und die Lehrerin, durch Bücher und das Fernsehprogramm. Kinder lernen vieles ganz nebenbei, im alltäglichen Spiel nähern sie sich der Welt der Erwachsenen an, üben Regeln ein und finden so allmählich ihren Platz in der Familie und in der Gesellschaft. Sie experimentieren und bilden Kategorien und lernen dabei, nicht nur in Groß vs. Klein, Mensch vs. Tier, Mann vs. Frau einzuordnen, sondern auch in ‚typisch‘ und ‚anders‘, in ‚richtig‘ und ‚falsch‘. Schnuller und Teddys, Laufräder und Bilderbücher, Filme, Computerspiele und Werbung begleiten sie dabei und beeinflussen ihren Lebensweg. Und die Welt, die ihnen aktuell angeboten wird, ist in sehr viel mehr Bereichen in rosa und hellblau geteilt, als das bisher der Fall war [1]. Selbst wenn sich also Eltern dieser Strategie verweigern und Kindern alle Bereiche jenseits von rosa und hellblau anbieten, so sind Mädchen und Jungen immer auch durch die Botschaften ihrer Umwelt beeinflusst.
[1] „In the Sears catalog ads from 1975, less than 2 percent of toys were explicitly marketed to either boys or girls.“ https://www.theatlantic.com/business/archive/2014/12/toys-are-more-divided-by-gender-now-than-they-were-50-years-ago/383556/
„Ich behandle Jungen und Mädchen gleich„
Also wir haben unseren Kindern nichts aufgezwängt, wir lassen ihnen die freie Wahl.
Die Mehrheit der Eltern geht davon aus, Kinder „neutral“ zu erziehen. Und wenn sich die Tochter dann doch fürs Ballett entscheidet, obwohl sie einen Fußball geschenkt bekommen hat und wenn der Sohn die Autokiste vorzieht, obwohl er sich eine Puppe aussuchen durfte, dann ziehen viele den Rückschluss, es müsse an der Biologie liegen, die Gene seien verantwortlich, die Hormone, die Steinzeit… der eigene Einfluss und die allgegenwärtigen Botschaften werden dabei komplett ausgeblendet. Mehr dazu unter „Also ich behandle Jungen und Mädchen gleich„.
„Es verbietet Dir ja niemand, trotzdem das andere zu nehmen“
„Es steht doch gar nicht drauf, dass das nur für Mädchen/für Jungen ist“
Es steht ihrem Sohn ja frei, trotzdem ein rosa xx zu kaufen.
Es steht Männern ja auch frei, sich für den Beruf des Erziehers zu entscheiden oder Frauen, Maschinenbau zu studieren. Mit den Kommentaren müssen sie dann eben klarkommen, wussten sie ja vorher, dass es nicht einfach würde. Sorry, aber Wahlfreiheit sieht anders aus. Wer sich über die Regeln des „Üblichen“ hinwegsetzt, bekommt das von der Umwelt zu spüren, und wer meint, ein „Du kannst ja trotzdem…“ reiche aus, um dem Vierjährigen seine Entscheidungsfreiheit zurückzugeben, irrt.[1]
Allein das Labeln eines Spielzeuges durch Farben oder Fotos als „Mädchen-„ oder „Jungespielzeug“ führt zu genderstereotypem Verhalten. Wird Kindern ein zunächst neutrales Spielzeug (z.B. ein Xylophon oder ein Ball) als „extra für Mädchen“ vorgestellt, spielen Mädchen länger und interessierter damit, Jungen wenden sich früher davon ab. Andersherum spielen Jungen länger damit, wenn ihnen zuvor gesagt wurde, es sei für Jungen gedacht [2]. Kinder übernehmen also die Zuordnung der Erwachsenen ganz unabhängig vom jeweiligen Spielzeug, und sie lassen sich schon früh in ihren Entscheidungen vom Gruppenkonsens beeinflussen [3]. Das ist menschlich und wird Ihrem Sohn ähnlich gehen.
[1] Beispiel: rosa Überraschungs-Eier „für Mädchen“: http://ich-mach-mir-die-welt.de/2015/10/ue-ei-twittergewitter/
[2] Bradbard, M.R.; Endsley, R.C. (1983). The effects of sex-typed labeling on preschool children’s information-seeking and retention. Sex Roles, 9 (2), 247-260.
[3] Studie: https://www.mpg.de/4611532/gruppenzwang_vorschulalter
Die Tochter meiner Nachbarin mag grün, also kann der Einfluss nicht so groß sein.
Mein Sohn ging mal im Rock zur Kita, und niemand hat was gesagt. Und meine Tochter spielt besser Fußball als mein Mann, also kann ja das mit dem Frauenfußball… Sorry, private Einzelbeispiele taugen einfach nicht als Argument gegen wissenschaftliche Studien. Klar gibt es viele Beispiele, die nicht dem Klischee entsprechen, aber genau das ist doch die Frage: Wer legt die Normen fest? Warum richtet sich Werbung für Haushaltsgeräte an Mütter, wenn es doch viele Familien gibt, für die das nicht passt? Und wer sich abseits der Norm verhält, bekommt das zu spüren, auch wenn die Erwachsenen das im Detail oft gar nicht mitbekommen. Warum muss der Vierjährige, der Rosa liebt, auf oft negativem Weg lernen, dass er „anders“, „untypisch“ sei, und ein überdurchschnittliches Selbstbewusstsein entwickeln, um sich nicht im Lauf der Grundschule eine „normalere“ Lieblingsfarbe zu suchen? Warum muss er da durch, und wann lernen stattdessen wir, dass „anders“ nicht gleich „falsch“ ist?
Jungs und Mädchen haben nun mal unterschiedliche Grundbedürfnisse.
Tatsächlich gehören zu den Grundbedürfnissen Liebe, Schlaf, ein Dach über dem Kopf, genug zu essen und sie gelten für alle Menschen gleichermaßen. Ein geschlechtergetrenntes Angebot auf der Speisekarte oder beim Bürobedarf gehört nicht dazu. Rosa geblümte Glitzerponys mit Flügeln und schwarze Monsterfighterfiguren auch nicht. Und wenn, dann sollten sie für alle da sein.
Lasst doch die Kinder Kinder sein und hört auf mit Eurem Genderismus.
Erwachsene ändern ihr Verhalten gegenüber einem Kind schon vor Geburt, sobald sie das Geschlecht des Ungeborenen erfahren: Sie sprechen mit einem Fötus in höherer Stimmlage, wenn der Ultraschall ihnen ein Mädchen zeigt. Sie beschreiben einen Säugling, von dem sie annehmen, es sei ein Mädchen, als niedlich und zart. Wird ihnen dasselbe Kind später als Junge präsentiert, beschreiben sie es als kräftig und schätzen es schwerer ein.[1]
Da wir davon ausgehen, Jungen und Mädchen hätten grundsätzlich unterschiedliche Bedürfnisse, behandeln wir sie unterschiedlich, selbst in Momenten, in denen es überhaupt keinen Anlass dafür gibt. Insofern einverstanden: Lasst doch die Kinder Kinder sein, und hört auf, sie in allen Lebenslagen nach Geschlecht zu sortieren und mit Euren rosa-hellblauen Erwartungen zu konfrontieren.
[1] Sog. Baby X Studien, z.B.: http://link.springer.com/article/10.1007/BF00288004
Wer sich daran stört, muss es ja nicht kaufen.
Weit über 500 Werbebotschaften erreichen jeden einzelnen von uns täglich. Auf Werbung treffen wir in Bahnhöfen und an Bushaltestellen, auf Plakatwänden und Aufstellern, im Fernsehen, Radio und Internet, Zeitungen und Magazinen, im Kino, in Sportstadien, Gaststätten und Konzerthallen, auf Hochhausdächern und Häuserfassaden, im Himmel und buchstäblich auf dem Boden werden wir mit den Botschaften der Marketingindustrie konfrontiert. Werbung hat den öffentlichen Raum längst in Besitz genommen und beansprucht unsere Aufmerksamkeit über die Maßen. Die Geschlechterklischees der Werbung erreichen einen auch an Tagen, an denen man keinen einzigen Euro ausgibt.
Kleine Jungs stehn nun mal auf Autos.
und „Außerdem gibt’s da diese Studie mit Affen…“
„Affen-Studien“ werden gern herangezogen als vermeintlicher Beleg dafür, dass die Vorliebe bei Jungen für Autos eine biologische Ursache habe. Denn wenn doch selbst bei Primaten die männlichen Tiere Spielzeugautos bevorzugten…. Doch das Setting der Studien sollte dabei nicht unter den Tisch fallen: Für eine gern zitierte Untersuchung mit Meerkatzen, wurde den Tieren unter anderen Gegenständen eine rote Bratpfanne als ‚Mädchenspielzeug’ ins Gehege gegeben. Rätselhafte Grundvoraussetzungen für eine Studie, gibt es doch keinen Primatenforscher, dem in seiner beruflichen Laufbahn Affen begegnet sind, die kochen konnten. In einer anderen Studie wurden Rhesusaffen beobachtet, die Spielsachen mit Rädern sowie Plüschtiere bekamen. Ein Durchgang musste zunächst abgebrochen werden, weil „ein Plüschtier in mehrere Teile zerfetzt worden war“.[1] Beides verdeutlicht die Problematik dieser Studien: Wir wissen überhaupt nicht, ob ein Kinderspielzeug für einen Affen, der es noch nie gesehen hat, dieselbe Bedeutung hat wie für uns. Welchen Wert haben dann die in solchen Studien gezogene Schlüsse?
Und dann wäre da noch:
(Spielzeug-)Autos sind männlich konnotiert, das lernen schon Kleinkinder noch bevor sie sprechen können, Mädchen bekommen sie seltener geschenkt, Mütter spielen seltener mit ihren Kindern damit, beim Spaziergang erklären Väter ihren Söhnen von Anfang an mehr über Automarken als ihren Töchtern. Schon bei 6 bis 12 Monate alten Kindern haben Jungen mehr „Außenweltspielsachen“ (Lastwagen, Werkzeug u.a.) während Mädchen eher „Haushaltsspielsachen“ bekamen [2].
Fünfjährige Jungs sind außerdem stärker an Jungsspielzeug interessiert, wenn sie damit rechnen müssen, von Freunden gesehen zu werden. [3] Viele kleine Jungen, die in der Kita nie mit Puppen spielen, machen das zuhause durchaus, sofern ihnen von den Eltern keine geheimen Lektionen dazu erteilt wurden. Und übrigens: „fünfjährige Kinder [klassifizieren] eine Babypuppe mit zornigem Gesichtsausdruck, die grobe schwarze Kleidung trägt, als Jungespielzeug, ein lächelndes, gelbes Auto, das mit Herzchen geschmückt ist, als Mädchenspielzeug“ [4].
Also ab wann und für wen genau soll sie zutreffen, die Aussage „Jungs stehn nun mal auf Autos“?
[1] Hasset, J.M.; Siebert, E.R.; Wallen, K. (2008). Sex differences in rhesus monkey toy preferences parallel those of children. Hormones and Behavior, 54 (3), 359-364.
[2] Nash, A.; Krawczyk, R. (1994). Boys’ and girls’ rooms revisited. Vortrag vor der Conference on Human Development. Pittsburgh, Pennsylvania (nach Fine, Cordelia. Die Geschlechterlüge, München 2012, S. 315)
[3] Bannerjee, R; Lintern V. (2000). Boys will be boys. The effect of social evaluation concerns on gender-typing. Social Development, 9 (3), 397-408.
[4] Leinbach, Hort & Fagot, nach Fine, Cordelia. Die Geschlechterlüge. S.351
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Wer bis hierher gelesen hat, hat jetzt garantiert zur einen oder anderen Antwort eine Reaktion auf der Zunge liegen, ein Erlebnis vor Augen, ein „Ja, aber…“ auf dem Herzen. Wir sind gespannt, die Diskussion soll weiter gehen, bitte schreibt Eure Gedanken dazu in die Kommentare.
Viele Grüße,
Sascha und Almut
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> Das ‚Bullshitbingo des Gendermarketing‚ als Postkarte
> Zum ‚Bullshitbingo der Rosa-Hellblau-Falle‚
Mein Siebenjähriger mag alle Variationen von hellen Rottönen (mit und ohne Glitzer) sehr – und das obwohl er als Eishockeyspieler und Motorenfreak nun wirklich nicht unter Verdacht steht, ein Softie oder mädchenhaft zu sein.
Neulich fragte er mich ganz schüchtern, ob er sich eine pink Zahnbürste auswählen dürfe, weil die Farbe gefiele ihm so sehr, und da würde es ja keiner merken, man müsse es ja keinem sagen…
Als Eltern kann man sich noch so Mühe geben und noch so oft wiederholen, dass alle Farben für alle Menschen sind – da braucht es nur ein einziges Klassenkamerädchen, das „iiiiiiiiiiiiihhhhhhhhhhhhhbääääh, das ist ja Määäääääääääädchenzeug“ ruft, oder ein Mädchen in der Mittagsbetreuung, das sagt: „damit darfst du nicht spielen, Petshop sind nur für Mädchen“, und schon ist das Kind verwirrt und mag seine Vorlieben nur mehr heimlich ausleben.
Solche Aussagen tun mir immer so leid! Und deshalb ärgert mich dieses unüberlegte ‚Lasst die Kinder doch in Ruhe‘ als Reaktion auf unsere Kritik an Gendermarketing und Klischeewitzen Erwachsener – die sind es doch, die ein „in Ruhe“ selbst entscheiden so schwierig machen.
… Viele Grüße an Deinen Sohn, ich wünsche ihm eine schützende, unsichtbare Teflon-Schicht, wenn der nächste Kommentar kommt! :)
Ha! Vielen Dank für diesen treffenden Blog-Beitrag! Oft habe ich genickt, manchmal geschmunzelt und ich möchte noch folgendes dazu beitragen:
Ich bekomme sofort schlechte Laune, wenn ich ein Geschäft betrete und etwas für mein Kind kaufen möchte: Ich suche mich dumm und dämlich, wenn ich z.B. gerne etwas buntes zum Anziehen möchte – etwas, das NICHT rosa oder blau ist – es scheint schier unmöglich.
Außerdem wird mein 1-jähriges Kind von Fremden oft fälschlicherweise als „er“ betitelt, weil sie nichts Pinkes anhat, sondern orange, grün, grau usw..
Folgendes habe ich selbst zu diesem Thema gebloggt: https://wiederwiderstandsfaehigkeit.wordpress.com/2017/01/15/genderwahn-vs-marginalisierung/
Habe mir alles brav durchgelesen, und halte eurer Projekt dennoch für groben Unfug.
Wenn ich meinem kleinen Bruder (6) ein blaues Spielzeugauto schenke und meiner kleinen Schwester (5) eine Barbie, habe ich eine höhere Zufriedenheitschance bei den beiden, als wenn ich das umgekehrt machen würde.
Die Farben hellblau und rosa erleichtern jedem Onkel/Opa/Bruder oder anderen Menschen, die Kindern eine Freude machen wollen, die Wahl im Kaufhaus.
Wie sieht denn eure Wunschwelt aus, die ihr anstrebt? Die beiden angesprochenen Farben aus dem Spektrum streichen? Unternehmen sollen lieber rote Zahlen schreiben anstatt Geschlechterangepasste Produkte auf den Markt zu bringen?Ihr schreibt ja, es ginge ihnen nur um Umsatz und Wachstum. Willkommen in der Realität, ihr Träumer, denn genau so ist es. Ohne Wirtschaftswachstum und profitable Unternehmen in diesem unseren Lande würde es plötzlich ganz dunkel aussehen. Vielleicht kümmert ihr euch dann wieder um die echten Probleme der Menschen, und nicht um so einen Blödsinn.
Srsly??
Nachdem wir heute auf der Preisverleihung ausführlich erklärt haben, worin unsere Kritik liegt, und wir an keiner Stelle fordern, alle Jungs mit Barbies zu „beglücken“, lassen wir an dieser Stelle Antje Schrupp für uns antworten:
„Wir sollten das zugeben: Indem wir Gendermarketing tolerieren, zementieren wir Rollen, behindern wir Kinder in ihrer freien Entfaltung. Wir machen es ihnen schwer, zu ihren eigenen, individuellen Vorlieben und Stärken zu finden, indem wir sie schon als Babys darauf trimmen, dass sie als Mädchen dies und als Jungen das zu wollen hätten. Und dafür gibt es eigentlich nur eine logische Erklärung: dass es uns letztlich egal ist. Unsere Kinder sind uns egal. Wir legen keinen Wert darauf, dass sie ihre persönlichen Vorlieben frei und offen herausfinden. Es ist uns wichtiger, dass Firmen mit Gender-Marketing mehr Geld verdienen können, weil sie ihre Produkte doppelt verkaufen. Hey, so ist Kapitalismus eben!“
Die Farben hellblau und rosa erleichtern jedem Onkel/Opa/Bruder oder anderen Menschen, die Kindern eine Freude machen wollen, die Wahl im Kaufhaus.
Ausser das Kind mag die betreffende Farbe nicht.
Wäre es nicht um einiges einfacher – und die Chancen, dem Kind eine Freude zu machen um einiges höher – wenn man ihm einfach das kauft, was es tatsächlich mag?
Mir hängt diese Gleichmacherei soooooooo zum Hals raus. Nicht alle Jungen sind gleich, nicht alle Mädchen sind gleich. Jeder Mensch ist anders und jeder hat andere Vorlieben und Interessen. Hört doch mal auf mit dieser Zwangsnormiererei und schaut auf das einzelne Individuum!
„Die Farben hellblau und rosa erleichtern jedem Onkel/Opa/Bruder oder anderen Menschen, die Kindern eine Freude machen wollen, die Wahl im Kaufhaus.“
Habe ich ein Glück, daß ich erwachsen und kein kleines Mädchen mehr bin – sonst würden womöglich tatsächlich Onkel/Opa/Bruder (wieso nicht Tante/Oma/Schwester) mir gräßliches rosa Zeugs scheinken, weil die Farbe ihnen die Wahl im Kaufhaus erleichtert hat.
Ich mochte auch als Kind lieber grün oder blau oder feuerrot, aber weder Rosa noch Pink oder irgendwelche Abstufungen. Und ich wette, auch heute noch kann man einem Mädchen auch mit einer anderen Farbe eine Freude machen.
Ja: Wenn es um bewusste oder unbewusste Beeinflussung durch Eltern und andere geht oder um eindeutig geschlechtsspezifisch deklarierte Produkte (manipuliert/diskriminiert diejenigen, die von sich aus anders entschieden hätten): Volle Zustimmung!
Aber:
[…]*
Natürlich ist es falsch, Menschen/Kinder in Geschlechterklischeeschubladen zu stecken, da es ja immer Jungs geben wird, die von sich aus mit Puppen spielen würden und rosa toll finden und Mädchen, die auf blaue Spielzeugautos stehen. Genauso falsch wäre es aber, allen Kindern vorzuschreiben, sie müssten auch Dinge tun/mit Dingen spielen, die sie von Natur aus nicht mögen.
Bin dann doch erstaunt, dass meine ausführliche wissenschaftliche Begründung, warum man biologisch von Unterschieden der Geschlechter in Verhalten und Interessen ausgehen sollte, hier nicht veröffentlicht wird. Vor allem, da ich ja selber betont habe, dass die Gemeinsamkeiten überwiegen und es immer Frauen geben wird, die dem typischen männlichen Klischee deutlich näher kommen als viele Männer (und umgekehrt), und es daher richtig ist, die Gemeinsamkeiten zu betonen und vor allem nicht alle Männer oder Frauen (wie das ja beim sog. Gendermarketing üblich ist) in eine Schublade zu stecken, da dort viele Menschen nicht reinpassen (die somit ausgeschlossen/benachteiligt sind).
Hier nochmal eine Artikel zu wohl kulturunabhängigen Verhaltensunterschieden:
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/a-735668.html
Und hier nochmal meine 2 Hauptschlussfolgerungen:
Produkte, die wie die Klett-Kinderbücher ausschließlich für ein Geschlecht gekennzeichnet sind (explizit oder in direkter Weise implizit), halte ich für problematisch, weil sie eben alle ausschließen, die nicht in die Schublade passen. Aber natürlich darf es ein blau gefärbtes Kinderbuch geben mit Piratengeschichten und Piraten auf dem Titel (ich denke mal, das würden auch viele Mädchen toll finden). Idealerweise kann man dann noch dazuschreiben: „Für die kleinen Piraten – und Piratinnen.“ Dann ist niemand ausgeschlossen und Eltern können einfach aufgrund der Interessen der Kinder entscheiden.
Das Hauptproblem des Gendermarketing ist nicht primär die Diskriminierung eines Geschlechtes, sondern vor allem die Diskriminierung aller Menschen, die nicht in die Schubladen passen (können durchaus ziemlich viele sein). Daher würde ich mir wünschen, dass in der Öffentlichkeitsarbeit zum Thema Gendermarketing (ein offensichtlich bereits polarisierender Begriff) vor allem dieses Schubladendenken kritisiert wird und nicht die Diskriminierung von Frauen (oder Männern) im Allgemeinen (wie leider vor ein paar Tagen bei Spiegel Online). Und dass biologische Geschlechterunterschiede akzeptiert oder zumindest als möglich anerkannt werden (denn da besteht ja kein Widerspruch). Die Schlagzeile sollte immer sein: „Extreme Geschlechterklischees engen die Möglichkeiten der freien Entwicklung enorm ein.“ Ich denke, dann würde es sehr viel weniger Widerspruch in einigen Kreisen der Bevölkerung geben.
* Wir bitten um Verständnis, dass wir hier auf Deine 5000! Zeichen-Abhandlung über Rhesus-Affen-Experimente verzichten, zumal wir uns in der Schlussfolgerung ja im Grunde einig sind.
(Wer jetzt an Zensur denkt, folge bitte diesem Link zu unserem Statement dazu)