#RosaHellblauFalle

Was soll das überhaupt bedeuten?

Mit unserem gleichnamigen Buch und Workshopangebot haben wir 2014 den Begriff Rosa-Hellblau-Falle® eingeführt, um ein Phänomen zu beschreiben, das in den vergangenen Jahren zunehmend Einfluss nimmt auf die Entwicklung von Kindern und ihre Wahlfreiheit einschränkt.

Die Rosa-Hellblau-Falle® steht immer dann bereit, wenn verinnerlichte Geschlechterklischees zum Tragen kommen, manchmal wissentlich, meist aber unbewusst. Tatsächlich geht die Mehrheit davon aus, keine Klischees weiterzureichen, denn

„Heute sind wir doch längst weiter!“

Ist das so? – Wir persönlich stolpern über Aussagen, in denen einer anderen Person bescheinigt wird „Sie behandelt alle Kinder gleich“. Oder extremer noch einer ganzen Einrichtung: „Dort werden Kinder unabhängig vom Geschlecht gleich behandelt“ oder „Bei mir auf der Arbeit spielt das Geschlecht keine Rolle, wir achten nur auf Qualität“

Warum? Der erste Schritt beim Versuch, die Rosa-Hellblau-Falle® zu umschiffen ist doch, zu erkennen, dass es ein „gleich Behandeln“ gar nicht gibt! Und auch kein Ziel sein sollte! Wir hoffen sogar, dass nirgendwo alle (Kinder) gleich, sondern im Idealfall individuell behandelt werden und damit höchst unterschiedlich, da ja nie alle dieselbe Behandlung brauchen.

Dazu kommt, dass es gar nicht möglich ist, Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleich zu behandeln. Denn wer kann sich denn ganz frei davon machen, Interessensgebiete, Berufe, Verhaltensweisen, die Art des Auftretens – und genauer noch Körpersprache, Kleidung, Sprechanteil, Formulierungen, Argumentationsweisen etc. wahrzunehmen völlig ohne Verbindung zum Geschlecht ( bzw. zu dem Geschlecht, als das das Gegenüber gelesen wird?)

Schon Kindergartenkinder ordnen die Welt nach Geschlecht:

„Seit den Untersuchungen von Hanns Martin Trautner konnte wiederholt nachgewiesen werden, dass Vorschulkinder Objekte und Tiere mit großer Übereinstimmung in zwei Geschlechter trennen (der Schmetterling ist weiblich, die Geige und der Schwan auch, der Gorilla dagegen ist männlich, ebenso wie die Trompete), und dass sie auch Farben, Materialien und Gesichtsausdrücke Männern beziehungsweise Frauen zuordnen: So ist Glas weiblich, Stein dagegen männlich, ein wütendes Gesicht ist männlich, ein lachendes weiblich. […] Und da auch schon ganz kleine Kinder diese Unterschiede machen, weil schon Kleinkinder ihre Umwelt unter dem geschlechtsspezifischen Aspekt wahrnehmen und interpretieren, sind viele Erzieher_innen überzeugt, dass die Trennung nach Geschlechtern in den Kindern bereits angelegt sein müsse.  […] Auch viele Eltern, die von sich selbst sagen, sie erziehen ihre Kinder »geschlechtsneutral«, [haben] mindestens eine Anekdote parat, die sie in der Vermutung bestätigt, es gebe eben doch natürliche, angeborene Interessen. Warum sonst entscheidet sich sogar der eigene Sohn beziehungsweise die Tochter immer wieder für geschlechtstypisches Spielzeug […], warum sonst setzen sie jedes Spielzeug geschlechtstypisch ein? Also die Geschichten von Jungen, die […] Haarbürsten als Waffen verwenden oder von Mädchen, die Spielzeugautos zu Bett bringen. Das Fazit ist auch hier immer gleich, nämlich dass Geschlechtsunterschiede offensichtlich biologisch determiniert sein müssen, denn sonst hätte die angeblich »neutrale« Erziehung anderes bewirken müssen. Wir vergessen dabei, dass unser elterlicher Beitrag als Vorbild oder Gesprächspartner_in zum Prozess der geschlechtsspezifischen Sozialisation eben nur ein Puzzleteil von vielen ist, wenn auch ein besonders wichtiger. […] Und es ist leider sehr viel einfacher, sich über Lillifee und Monstertrucks nicht weiter den Kopf zu zerbrechen, sondern daran zu glauben, dass geschlechtergetrenntes Spielzeug ganz natürlich ist.“

(Schnerring/Verlan: Die Rosa-Hellblau-Falle, S. 54)

Kindern lernen im Kontakt mit anderen und durch mediale Einflüsse, was beim jeweiligen Geschlecht überwiegend als typisch oder untypisch bewertet, beziehungsweise was als normal oder abweichend angesehen wird. Und Kinder wollen dazugehören zu der Gruppe, mit der sie sich identifzieren, sie wollen „richtig“ sein und nicht „untypisch anders“. „An der ist ein Junge verloren gegangen“ ist für ein Mädchen also kein echtes Kompliment, sondern der Beweis dafür, dass sie aus Sicht der Erwachsenen durch ihr Tun, ihre Vorlieben von der Norm abweicht. Nur wenige haben ein so starkes Selbstbewusstsein, dass sie dem standhalten.

Wir alle sind also mit rosa-hellblauen Zuordnungen aufgewachsen,

sie sind Teil unserer Kultur, die Wert darauf legt, die Welt in Zwei zu teilen. Und wenn Eltern, Pädagog*innen, Erzieher*innen sich alle Mühe geben, es anders zu machen, die Umwelt, in der Kinder sich bewegen, ist trotzdem eine, die an der Binarität festhält. Ständig müssen wir uns zuordnen, innerlich, unbewusst entscheiden „Gehöre ich zu den Rosanen? Oder zu den Blauen? Welches ist meine Gruppe?“ Und selbst, wenn sich eins nicht daran hält (eine Frau lustig-revolutionär die Männersalz kauft, Eltern ihrem Sohn etwas Pinkes schenken), so ist es doch eine Reaktion auf die allgegenwärtige Zweiteilung, der wir in dem Fall versuchen, etwas entgegenzusetzen. Das hebt sie aber ja nicht auf!

Es gibt also kein „gleich behandeln“, aber es gibt Menschen, die darum wissen und die ihr Bestes geben, ihre Entscheidungen und ihr Handeln daraufhin zu reflektieren!

Es ist nicht so schlimm, Vorurteile zu haben,

aber es ist fatal, zu glauben, man hätte keine.

Jahrelange Gleichstellungsbestrebungen haben mit dazu beigetragen, dass Frauen heute ohne Erlaubnis ihres Ehemannes arbeiten können und Väter in Elternzeit gehen, doch sie konnten nicht verhindern, dass es heute noch Kindertagesstätten gibt, die das Puppenhaus ins „Mädchenzimmer“ stellen, zu dem Jungs keinen Zutritt haben, oder dass Fördervereine eine Werkbank „extra für die Jungs“ spendieren und damit Mädchen aus einem Bereich ausschließen, der ihnen zehn Jahre später beim „Girls’ Day – Mädchen-Zukunftstag“ wieder mühsam nahegelegt werden soll. Wenn wir es als Gesellschaft wirklich ernst meinen mit der Gleichstellung, dann müssen wir bei den Kleinen ansetzen. – Jungen bekommen im Durchschnitt übrigens mehr Taschengeld als Mädchen, die dafür im Haushalt mehr mithelfen müssen, während Söhne wiederum ihr Taschengeld aufbessern können, wenn sie den Rasen mähen:

Der PayGap beginnt im Kinderzimmer!

Rollenklischees und stereotype Darstellungen von Frauen und Männern beeinflussen vor allem Kinder in ihrer Entwicklung und beschränken sie in ihren Möglichkeiten, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten (Art 2 GG).

Unser Anliegen ist es deshalb, aufmerksam zu machen auf die ungleiche Ansprache und Behandlung von Jungen und Mädchen in Werbung, Medien, in Familien und Bildungsinstitutionen, ein Bewusstsein zu schaffen für die Rosa-Hellblau-Fallen des Alltags, Wege #RausausderFalle zu zeigen und für eine nachhaltige, zukunftsgewandte Gleichstellungspolitik zu sensibilisieren.

Sascha Verlan & Almut Schnerring


> Beispiele der Rosa-Hellblau-Falle aus dem Alltag von Kindern

> Fortbildung zum Unconscious Bias

> Fortbildungen für Fachkräfte in Kita, Schule, OGS

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