FAQ Nummer Eins in Sachen Gendermarketing

„Aber da steht nirgendwo drauf, dass das pinke nur für Mädchen sei und das blaue für Jungs!“

Gendermarketing schafft zwei Zielgruppen, Männer und Frauen, Mädchen und Jungen, wo vorher nur eine war, um den Umsatz eines Unternehmens zu steigern. Das gelingt, indem den beiden Gruppen unterschiedliche Bedürfnisse zugeordnet werden (emotional, biologistisch begründet, damit wir sie glauben. Durchaus nicht wissenschaftlich belegt!) und, indem die Produkte oder ihre Verpackungen (also nicht unbedingt der Inhalt) sich unterscheiden, sodass jede Gruppe erkennt, welches das „richtige“ Produkt für sie sei. Entweder, indem es in Worten draufsteht:

Männersalz + Frauensalz

Oder, indem es durch Bilder, Symbole, Formen und Farben gelabelt wird:

glitzernd = weiblich; matt = männlich

  • Kleingemustertes = weiblich; schlichte Flächen = männlich
  • Schmetterlinge und niedliche Felltierchen (Häschen) = weiblich; Krokodile und gefährliche Felltiere (Löwen) = männlich
  • rot-violett-rosa-pink (Tendez bunt) = weiblich; schwarz-blau-braun-beige (Tendenz Matsch) = männlich
  • Kreise + Punkte + Wellen = weiblich; Dreiecke + Zacken + Blitze = männlich

…. nur eine Auswahl! Kombinationen erschweren die Zuordnung, im Zweifel fragen Sie bitte ein Fünfjähriges Kind. (Fachkräfte im Stoffgeschäft können hier weitere verblüffende Details aus ihren Beratungsgesprächen erzählen)

Gibt es nur 2 Varianten, wird nach Geschlecht sortiert

Diese Binarität geht verloren und das Angebot öffnet sich für alle, sobald es neben blau und rosa, neben Schmetterlingen und Löwen nicht nur zwei, sondern auch gelbe, karierte, grüne und bunte Varianten bzw. weitere Tiere gibt. Solange aber tatächlich nur zwei sich unterscheidene Varianten derselben Sache / Reihe nebeneinander stehen, gilt obenstehende Zuordnung. Für Erwachsene, aber noch mehr für Kinder, mit denen zu selten jemand Gespräche darüber führt, wie Werbung funktioniert, dass ein sich „anders“ entscheiden okay ist und dass Farben für alle da sind!

Doch da die Mehrheit der Erwachsenen die Zuordnungen gar nicht erst infrage stellt, geben sie ihren eigenen, unbewussten Bias an Kinder weiter. Somit ist also auch für Kinder, die nicht lesen können, völlig klar, welches Produkt laut Marketingindustrie für wen gedacht ist.

Label der Erwachsenen lenken Interessen der Kinder

Tatsächlich belegen Studien, dass Kinder sich länger mit einem Spielzeug beschäftigen, wenn auf der Schachtel steht, dass es für die Gruppe gedacht ist, mit dem es selbst sich identfiziert. Und dass sie es schneller wieder weglegen, wenn es laut Verpackung für „die anderen“ gedacht ist (Mehr dazu unter dem Stichwort „Minimalgruppenparadigma“ und Zugehörigkeit).

Eine weitere Studie zeigt, dass Jungen auch dann deutlich kürzer mit einem Spielzeug spielen, wenn es rosa ist, mehr noch, dass sie an einem neutral verpackten Spielzeug plötzlich das Interesse verlieren, sobald ihnen jemand das dazugehörige pinke Label zeigt oder ein Erwachsener sagt, dass das Ding „eigentlich“ für Mädchen gedacht sei. (‚Pink gives girls permission‚)

Darüberhinaus zeigen Kaufanalysen, dass Spielzeug, z.B. ein Experimentierkasten, auf dessen Verpackung nur ein Junge abgebildet ist, sowohl für Jungen als auch für Mädchen gekauft werden. Produkte, auf deren Verpackung Mädchen und Jungen abgebildet sind, werden durchaus auch für Jungen gekauft, für Mädchen sowieso. Produkte dagegen, auf denen nur Mädchen dargestellt sind, werden überwiegend nur für Mädchen gekauft.

Kinder erkennen mehr, als Erwachsene glauben

Gendermarketing trägt in Deutschland seit ca 2006 dazu bei, dass Rosa überwiegend als „Mädchenfarbe“ eingeordnet wird. Von Erwachsenen wie von Kindern, Ausnahmen bestätigen die Regeln. Wenn also auf einem Produkt keines der Wörter „Mädchen“, „Junge“, „Girls“ oder „Boys“… auftaucht, und sich ein Kind (oder Erwachsener) davon abwendet oder besonderes Interesse dafür zeigt, dann hat das zunächst nicht unbedingt mit dem Spielzeug, der Hose, dem Mäppchen oder dem Müsli selbst zu tun. Sondern es spricht einiges dafür, dass das Kind längst das kleine Herz auf der Innenseite des Hosenbunds entdeckt hat oder den Schmetterling auf der Schachtel, während Sie selbst sich grade Gedanken über den Preis oder die Funktionalität gemacht haben.

 

Foto thx @HimeLeiya (gegendert vom Verkäufer – vorausgesetzt er hat nur diese beiden Varianten im Angebot)

 

Foto: Screenshot OTL Technologies (vom Hersteller nicht gegendertes Angebot)

8 Gedanken zu „FAQ Nummer Eins in Sachen Gendermarketing“

    1. Zur Analyse selbst nicht, sie ist vom Kosmos-Verlag. Die Ergebnisse wurden für uns so im Interview zusammengefasst, allerdings im Gespräch mit anderen Hersteller*innen auch in Bezug auf deren Produkte bestätigt. Quelle sind also erstmal wir: Die Rosa-Hellblau-Falle, München 2014, Seite 147/148. Ob es darüberhinaus schriftliche, öffentliche Informationen gibt, ist uns nicht bekannt. Viele Grüße

  1. Hallo,
    wie ist das eigentlich, wenn ich mich als Mutter einer Tochter bewusst immer gegen rosafarbene Kleidung und Spielzeuge für sie entscheide. Gender ich damit nicht auch? Ich muss dazu sagen, dass ich rosa und pink so ziemlich die furchtbarsten Farben finde und auch nicht müde werde, auf die Frage nach Junge oder Mädchen bei meinem vorwiegend in Grün und Blau bzw grau gekleidetem Mädchen zu antworten. Ich versuche meiner Tochter klarmachen, dass sie alles haben jnd machen kann, was sie will, von vermeintlich typischen Jungssachen bis zu vermeintlich typischen Mädchensachen, nur stört es mich, dass die ‚Mädchensachen‘ dann eben pink sind. Gender ich dann irgendwie doch, nur verquer indem ich meinr Tochter immer eher zu den ‚Jungssachen‘ lenke?

    VG
    Ilka (Mutter einer kleinen Tochter)

    1. Solange Sie ihr Rosa in der konkreten Situation nicht verbieten, wenn sie sich etwas wünscht? Sie also ihre eigene Vorlieben entwickeln kann, ohne Kommentare und Herabsetzungen anderer. Es kommt ja v.a. darauf an, ob Sie selbst Rosa ablehnen, weil es als „Mädchenfarbe“ mit bestimmten Eigenschaften verknüpft ist, oder gefällt Ihnen tatsächlich einfach die Farbe nicht – Zweiteres hat ja nun nichts mit gendern zu tun, sondern mit individuellen Vorlieben. Bleibt die Frage, ob sich das überhaupt trennen lässt: Wo hört gesellschafliche Beeinflussung auf und wo fängt das Individuum an, das ja nur als Teil der Gesellschaft leben kann… :)

      1. Hallo,

        Ich stehe mit meiner Tochter vor der gleichen Herausforderung. Wir versuchen sie unbeeinflusst von sexistischer K*ackscheisse und Gendermarketing zu erziehen … Aber die Welt prägt natürlich immer die andere Richtung. Sie ist zwei Jahre… Und ich frage mich, wie ich solche Sachen einordnen kann, ohne sie totzulabern, zu überfordern oder genau wie Ilka befürchtet zu sehr in eine halt andere Richtung zu drängen.

        Liebe Grüße, A

        PS: Und dickes Danke für den tollen Blog, eine Freude!

  2. Ganz besonders fasziniert mich hier ja das generische Maskulinum gegenüber dem spezifizierenden Femininum – „Wenn stereotypische Jungs abgebildet sind, ist es für alle, wenn stereotypische Mädchen abgebildet sind ist es nur für Mädchen“ – ich kann ja nicht umhin, mich an der Aussage, die ich dahinter zu sehen meine festzustarren – „männlich ist die Norm, weiblich die Normabweichung“.

    Nur mal so einwerfend, Grüße Gruß

    1. Ist bestimmt richtig, das so zu lesen, tun wir auch. Trotzdem die Macher*innen das ja gern abstreiten und jede Verantwortung von sich weisen („Die Kundschaft will eben…“). War beim Überraschungs-Ei 2012 ja nicht anders: Das „normale“ war (und ist) für alle, auch weiterhin. Das mit pinker Spitze ist die Sonderform „extra für Mädchen“, die sich dann noch freuen sollen, dass sie extra bedacht werden, dabei werden sie damit aus der Norm gedrängt, auf dass der Umsatz gesteigert werden kann. Aber das erklärt sich eben schlecht mal eben in der Warteschlange an der Kasse ¯\_(ツ)_/¯

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