Tipps für Gespräche

Gespräche über die Rosa-Hellblau-Falle

mit Partner*innen, den Großeltern,
oder anderen Familienmitgliedern

„Er ist eben ein richtiger Junge“ /„Du bist ja schon eine richtige Dame“ / „An ihr ist ein Junge verloren gegangen“ /„Du bist doch kein Mädchen!“ / „So ein kleiner Charmeur“ / „Typisch Junge“ / „Sie ist ja so ne richtige kleine Zicke“ / „Sie ist eben ein halber Junge“ / „Jetzt siehst du aus wie ein richtiger Junge“ / „So sind sie eben…“ …

Die Haarlänge, die Puppe, das T-Shirt, ein Geschenk … manchmal genügt eine Bewegung, das Spielen am Lichtschalter, mit einem Autoschlüssel oder mit Omas Handtasche und schwupps tappt ein erwachsenes Familienmitglied in die Rosa-Hellblau-Falle und sagt einen der oben genannten Sätze. Ignorieren, ist ja nicht böse gemeint? Oder doch etwas sagen, weil es schon der dritte Satz heute ist?

Natürlich hat eins nicht immer die Kraft dagegen zu halten, und manchmal passt auch einfach der Ort oder die Zeit nicht, verschieben ist dann wohl die bessere Wahl. Damit das nicht zu oft passiert, schlagen wir zumindest vor, sich nicht zu viele Gedanken über die richtige Wortwahl zu machen. Denn es gibt sie nicht, die richtige Formulierung, um ein Familienmitglied darauf hinzuweisen, dass es grade in der Rosa-Hellblau-Falle steckt. Für Details ist später immer noch Zeit. Eine Reaktion in zwei Sätzen genügt ja sowieso nicht, um das eigene Anliegen bei diesem Thema zu vermitteln, da hilft nur reden, reden und im Gespräch bleiben. Damit die Freundin, der Bruder, die Schwägerin, der Großvater eine Chance hat zu verstehen und sich selbst Gedanken zu machen über ein Thema, über das mit ihm*ihr unter Umständen noch nie jemand gesprochen hat.

Aber Eltern sollten nicht in erster Linie für die Sprücheklopfer*innen reagieren, sondern fürs eigene Kind. Denn das hört solche Sätze ja auch! Wahrscheinlich noch viel öfter, wenn kein Elter dabei ist, das für es einspringen kann. Und es merkt, wenn solche Kommentare unwidersprochen bleiben. Und wenn Mama*Papa nichts dagegen sagt, stimmt es ja vielleicht? Wir finden also eine Reaktion im jeweiligen Moment wichtig. Im Idealfall etwas sagen, irgendetwas ist immer noch besser, als schweigende Zustimmung. Hier folgen also einige Vorschläge zur Wahl.

Wir freuen uns über Ergänzungen in den Kommentaren: Wie reagierst Du auf Sprüche aus der RosaHellblauFalle? Mit welcher Reaktion oder welcher Aussage konntest Du Dein Anliegen gut vermitteln?

Rosa und Grün

Wenn Farben nicht für alle da sind

Photo by Jessica Lee on Unsplash

Übertreiben:
– Wie machen wir das dann mit Himbeeren oder mit Erdbeerjoghurt? Bekommt Luka jetzt keine Tomaten mehr?
– Klar riskieren wir damit, dass er schwul wird. Aber wir ziehen ihm auch Grün an, denn Vegetarier werfen wir ja auch nicht aus dem Haus.

Fragen stellen, um ins Gespräch zu kommen:
– Was ist deine Sorge, wenn du sagst: „Ich ziehe einem Jungen doch kein Rosa an!“
– Was für einen Vorteil bringt es, Farben für Kinder nach Geschlecht zu sortieren?

Sagen, was Du dir wünschst:
Ich möchte, dass er*sie seine*ihre Lieblingsfarben selbst aussuchen kann. Wenn ich von „Mädchenfarbe“ spreche bzw. dem nicht widerspreche, dann treffe ich ja schon eine Vorauswahl.

Von Dir selbst erzählen:
Ich erinnere mich, dass ich die Farbe Rosa schön fand. Ich hatte früher eine lila Hose, die hatte ich von meinem Bruder übernommen und war sehr stolz darauf.

Erzählen, was Dir Sorgen macht:
Natürlich mache ich mir Gedanken, ob seine rosa Schuhe von anderen negativ kommentiert werden. Aber wenn ich meinen Kindern eine Farbe, ein Spielzeug oder ein Kleidungsstück verbiete, nicht, weil ich es selbst ablehne, sondern aus Vorsicht, weil ich vermute, andere würden es nicht tolerieren, dann verhindere ich einen Wunsch, den ich selbst im Grunde okay finde. Ich übernehme in dem Moment die Intoleranz der anderen und reiche sie meinen Kindern weiter. Das fühlt sich im ersten Reflex vielleicht nach Schutz an, hat aber zur Folge, dass ich mich auf die Seite „der anderen“ stelle und deren Normen übernehme, Normen, die den Wunsch meines Kindes als „falsch“ einordnen. Ich stelle mich lieber hinter mein Kind und hoffe, dass ich ihm so viel Selbstbewusstsein mit geben kann, dass es seine Wünsche umsetzen kann. Das fängt für mich mit Farben- und Glitzerschuhen an und geht über Interessen bis zur Berufs- und Partner*innenwahl!

Etwas Positives finden:
Ich freue mich, dass Du Luka beschützen willst, damit er nicht von anderen geärgert wird. Aber wenn Du ihm deshalb etwas vorenthalten oder sogar verbieten musst, das er mag, dann wäre mir wichtig, dass wir einen anderen Weg finden!

 

Puppe, Puppenhaus, Spielküche

Wenn Familienmitglieder finden, Spielzeug, das mit CareArbeit zu tun hat, sei vor allem für Mädchen geeignet

Photo by Vince Lee on Unsplash

Übertreiben:
– Stimmt, Sternekoch ist ja so schlecht angesehen – Pizza und Spiegelei muss reichen!
– Ja, nimm sie ihm lieber schnell weg, nachher wird er noch ein fürsorglicher Vater!
– Du meinst, er könnte davon schwul werden? Dann sind Schwule also die besseren Väter, oder was hab ich jetzt nicht verstanden?
– Vielleicht sollten wir Mika lieber nicht mit Autos spielen lassen, womöglich will sie sonst später mal selbst Auto fahren!

Fragen stellen, um ins Gespräch zu kommen:
– „Du tröstest ihn doch auch, zeigst ihm, dass er Dir wichtig ist. (Sein Vater kümmert sich doch auch um ihn). Warum darf er das nicht auf seine Weise im Spiel nachmachen und lernen? Vielleicht bist Du (sein Vater) ihm einfach ein gutes Vorbild!“
– Machst Du dir Sorgen, dass er für seine Puppe gehänselt wird? Ist die Sorge es wert, ihm etwas zu verbieten, das ihm wichtig ist und das Mädchen erlaubt wird? Ist Dir nicht auch wichtiger, dass er merkt, dass Du hinter ihm stehst und ihn und seine Wünsche unterstützt, ganz egal, womit er spielt?

Von Dir selbst erzählen:
Ich hatte jede Menge Puppen früher, obwohl sie mich nicht groß interessiert haben. Und mein Bruder bekam Spielzeug, das ich viel spannender fand. Ich weiß noch, dass mich das verletzt hat, dass sich niemand für meine Wünsche interessiert hat.

Sagen, was Du dir wünschst:
Ich wünsche mir, dass niemand meinen Kindern vermittelt, sich um Kinder zu kümmern, sei Frauensache. Das ist eine Rollenverteilung, die weder Kindern noch Eltern guttut, also müssen sie sie auch nicht lernen. Ich hoffe, dass er mal ein fürsorglicher Vater wird, der sich gern und gleichberechtigt um seine Kinder kümmert.

Erzählen, was Dir Sorgen macht:
Ich mache mir Sorgen, dass meine Kinder ihre Interessen oder bestimmte Wünsche irgendwann aufgeben, weil ihnen andere mit solchen Kommentaren immer wieder vermitteln, das was sie tun, sei „falsch“ oder „untypisch“. Mein Sohn soll sich nicht falsch fühlen, nur weil er etwas tut, von dem Du behauptest, das sei etwas, das nur Frauen tun. Er soll lernen, dass er sich frei entscheiden kann. Und ich frage mich, wie er sonst lernen kann, dass es wichtig ist, sich um Kinder (oder eben Puppen) zu kümmern, sie zu trösten, mit ihnen zu sprechen, sie zu versorgen.

Etwas Positives finden:
Ich finde prima, dass Du sein Interesse fürs Werken, für Technik wecken möchtest. Vielleicht kommt das ja irgendwann noch. Vielleicht können wir schauen, dass er beides bekommt? Dieses Jahr die Puppenküche und nächstes Jahr die Werkbank?

 

Bücher, Filme, Medien

Wenn Themen vorsortiert werden und weibliche Vorbilder für Jungs nicht in Frage kommen

Photo by Jason Leung on Unsplash

Übertreiben:
Also wenn Luka kein Buch mit weiblicher Hauptrolle lesen soll, dann wird das schwierig für Mika. Stell Dir mal vor, wenn sie in der Schule Goethes Werther lesen muss, oder Schillers Wilhelm Tell. Ich hab ja auch noch Robinson Crusoe, Emil und die Detektive, Jim Knopf, Peter Pan im Regal stehen… sollte ich im Grunde alle vor Mika verstecken, oder?

Fragen stellen, um ins Gespräch zu kommen:
Denkst Du, dass es negative Folgen hat, wenn ich ihm Geschichten vorlese, in denen ein Mädchen die Hauptrolle spielt? Lass uns doch mal ausprobieren, ob es ihn interessiert, was könnte schlimmstenfalls passieren?

Sagen, was Du dir wünschst:
– Ich wünsche mir, dass er nicht nur die typischen Abenteuerthemen liest, sondern selbst entscheiden kann, ob ihm auch Geschichten gefallen, in denen es keine coolen Superhelden gibt. Nur wenn er alle Arten von Geschichten kennenlernt, kann er irgendwann selbst entscheiden.
– Ich wünsche mir, dass meine Kinder auch von weiblichen Vorbildern lernen und nicht denken, Frauen seien dafür nicht geeignet.

Von Dir selbst erzählen:
Ich habe früher die drei Fragezeichen gelesen, damals waren das Krimis „für Kinder“, sie standen nicht im Jungsregal. Ich fand die prima und verstehe nicht, warum meine Tochter jetzt die pinke Variante über Schönheitswettbewerbe und Pferdeturniere bekommen soll.

Erzählen, was Dir Sorgen macht:
Ich mache mir Sorgen, dass er das Gefühl bekommt, Jungs müssten sich alle für Abenteuer interessieren und coole, starke Helden sein. Es bedrückt mich, dass Jungen in den Medien (in Filmen z.B.) vor allem ‚wilde Kerle‘ und Weltenretter als Vorbilder bekommen, und ich möchte, dass er auch andere kennenlernt.

Etwas Positives finden:
Es freut mich, dass Du versuchst ihren*seinen Geschmack zu treffen, anstatt irgendwas zu schenken. Und da er*sie sich ja sehr für x interessiert, wäre zum Beispiel das Buch x, y oder z ganz passend.

Wir freuen uns über Eure Erfahrungen, Eure Erzählungen, wie Gespräche bei Euch verlaufen sind, womit Ihr gut gefahren seid?

Alles Gute beim Umschiffen der Rosa-Hellblau-Falle!

 

P.S.  Mit Studien argumentieren:

Hier einige Links dazu, teilweise auf ältere unserer Artikel verweisend oder direkt zur Studie.

  • Erwachsene lenken Spieldauer und Interessen von Kindern durch das Labeln von Spielzeug. Studie: ‚Pink gives girls permission‘ („Children engage in gender-typed toy play to a greater extent than in non-gender-typed toy play leading to different developmental trajectories for boys and girls.“)
  • Baby X-Studien:
    Wird ein Kind für ein Mädchen gehalten, reagieren Erwachsene anders, bieten ihm anderes Spielzeug an, sprechen anders mit ihm, als wenn dasselbe Kind für einen Jungen gehalten wird. Erwachsene haben unterschiedliche Erwartungen an Kinder und nehmen damit Einfluss auf deren Entwicklung.

 

 

  • Affenstudien: „Aber Jungs mögen nun mal Autos, das zeigen doch schon diese Studien mit Affen“.  – Ja und Nein.

6 Gedanken zu „Tipps für Gespräche“

  1. Danke für die Beispiele. Hab selbst keine Kinder, aber bei Kindern von Bekannten bekomme ich diese seltsame Kategorisierung in Jungen/ Mädchensachen manchmal mit und weiß selten was ich sagen soll. Gestern meinte eine, ihre Tochter (6) könne nicht essen, wenn ein Junge im Raum ist. Sie fand das okay, das sei ja so wie wenn eine Frau sich beim ersten Date nur einen Salat bestellt, damit sie nicht komisch beim Kauen aussieht. Da wusste ich auch nicht was ich sagen soll und dachte nur, hoffentlich bekommt das Kind keine Essstörung.. :/

    1. Nicht essen können, weil ein Junge im Raum ist…??
      – Das nimmt dann aber nochmal ganz andere Züge an :-o Die Klischees, die Normierung in rosa und hellblau, die Anpassung an verquere Geschlechterbilder wird so oft verharmlost, aber wer darüber nicht reflektiert, der reproduziert und vergrößert das Problem. Wir bieten ja Vorträge und geben Workshops für alle Zielgruppen, aber grade bei jenen, die am tiefsten in der Rosa-Hellblau-Falle drinstecken, sieht niemand die Notwendigkeit, sich mit einer Fortbildung genauer zu informieren. Wie so oft… ¯\_(ツ)_/¯.
      Der 6Jährigen wünsche ich einen guten Appetit und Freude am Essen, völlig egal wer im Raum ist, damit sie nicht bald nur noch alleine essen, spielen? denken?… kann.

  2. Meine Tochter, ist 10 Jahre, hat kurze Haare, macht Kampfsport, liebt klassische Musik, zieht gerne Star Wars Sachen an und liebt Herr der Ringe. Aber auch sie kriegt immer zu hören: du siehst aus wie ein Junge.“ Oder: Star Wars ist nichts für Mädchen.“

    Total traurig das Leute so denken.

  3. Mein Sohn ist 10 und hat lange Haare. Er wird oft gefragt: „Bist du ein Junge oder Mädchen?“ Er hat sich angewöhnt, zurück zu fragen: „Was hättest du denn gern?“ und fühlt sich damit ganz wohl.

  4. Der Baby Sohn hat öfter auch mal rosa an. Ein Mädchen auf dem Spielplatz war darüber mal sehr verwirrt, ich habe ihr erklärt das Farben für alle da sind.

    Wenn ich etwas höre wie „Jungs sind ja auch eher Mutter Kinder und Mädchen eher beim Papa“ versuche ich auch immer zu sagen das es wohl auf die Kinder und Eltern ankommt.

    Insgesamt bin ich aber immer wieder super erschrocken wie oft so etwas kommt… „klar mag er Bälle“ „klar mag sie Puppen“…

  5. „Haben Sie Strampelanzüge in Größen unter 50?“
    „Ja. Junge oder Mädchen?“
    „Hä?“
    „Na, rosa oder blau?“
    „Ach so… für ein Mädchen, also BLAU bitte!“

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