Die Schubladen der anderen?

Im Gespräch über Jungs, die gern mit rosa Stiften malen, gerne rosa T-Shirts tragen und für Elsa schwärmen, meinte eine Mutter: „Mein Sohn darf im Geschäft durchaus die pinken Schuhe anziehen und mal darin herum laufen, aber ich kaufe sie ihm nicht“. Zugleich ist sie überzeugt, ihren Kindern keine Rollenklischees aufzuzwingen, sie hätten schließlich die freie Wahl. Für ihren Sohn keine rosafarbenen Schuhe zu kaufen, sieht sie als Teil ihrer Aufgabe als Mutter.

Ich möchte einschieben, dass ich die Entscheidung gegen Rosa legitim finde, wenn sie für beide Geschlechter gilt. Würde meine Tochter sich rosa Glitzerschühchen mit Absatz wünschen, würde ich sie nämlich auch nicht kaufen. Dass mein Sohn keine hat, liegt also nicht an der Tatsache, dass er ein Junge ist, sondern, dass ich etwas gegen ungemütliche Schuhe habe, mit denen mein Kind beim Fangen Spielen wahrscheinlich am Rand steht und zuschaut. Die zitierte Mutter sieht das anders:

Ihr Sohn bekommt keine pinken Schuhe, weil er Junge ist. Als Mutter sorge sie dafür, dass er „vernünftig“ gekleidet ist. Und sie müsse abwägen, ob sie ihrem Kind zutraue, mit den Hänseleien der anderen Kinder umzugehen, denn er sei sich dessen ja vermutlich nicht bewusst. Die Schuhe einfach zu kaufen und ihn damit auf die Straße zu schicken, würde für sie bedeuten, ihn „ins offene Messer laufen zu lassen“.

Bis hierher sachliche Nacherzählung. Jetzt meinen Ärger hinterher:

Wie wär’s, wenn die anderen damit klar kommen müssen!?


Das macht man nicht? Das gehört sich nicht? Was denken da die Nachbarn?

Nicht das Kind, das sich untypisch kleidet, muss lernen, mit Hänseleien umzugehen, sondern die hänselnden Kinder (und Eltern) müssen lernen, damit klarzukommen, dass „anders“ nicht gleich „falsch“ ist. Sie sind es, die lernen müssen, dass ihr Hänseln, ihre Intoleranz, ihre engen Vorstellungen von einem „richtigen“ Jungen Kritik erfährt und nicht akzeptiert wird! Und nicht das Kind mit dem altmodischen Pullover, jenes mit der dunkleren Haut oder der Junge mit rosa Hausschuhen, oder das Kind, das seinen Papa nicht kennt, das, das eine Gehhilfe hat oder das Mädchen, das (noch) kein Deutsch versteht.

Es sind nicht nur Farben! Guten Morgen!

Dem Kind schon zuhause etwas zu verbieten, von dem ich in vorauseilendem Gehorsam annehme, es könne die anderen zu Sticheleien, Kritik und … ja was? Beleidigungen herausfordern? Damit mache ich mir doch schon im Voraus das Klischeedenken zu eigen, das ich anderen unterstelle. Und den Schuh, sorry, den ziehe ich mir nicht an!

 

ähnlicher Post: Ich bin pessimistisch

Und mich treibt ja noch die Frage um, was genau mit „vernünftig gekleidet“ gemeint sein könnte, wenn es nicht um Minusgrade oder Sonnenbrand geht. Gibt’s darauf eine Antwort ohne Stereotype?

2 Gedanken zu „Die Schubladen der anderen?“

  1. Ich bin generell kein Fan von rosa, egal ob Junge oder Mädchen. Aber am Ende ist es schon lustig, dass bei einem Mädchen, dass „Jungenfarben“ trägt, weniger was gesagt wird, als anders herum.

    Da unser Krümelchen erst noch kommt, müssen wir uns noch keiner Diskussion stellen. Doch wir haben uns bewusst entschieden, die Familie vorab nicht über das Geschlecht unseres Kindes zu informieren, damit sie eben nicht in die Klischee-Falle tappen.

    Nachdem ich mich bei meiner Mutter ein wenig beschwert hatte, dass meine kleine Nichte irgendwie IMMER rosa trägt, hat sie begonnen, bewusster auf andere Farben zu achten. Doch das macht einem der Markt ja leider auch nicht gerade einfach. :-/ – Neben diesen Schubladen bei Farben und Motiven (Autos und Co. vs. Einhorn und Glitzer etc.), geht es ja leider bei den Spielzeugverpackungen weiter. :(

    1. und wenn es nur Farben wären, wäre es ja auch nicht so wild. aber mir den Farben kommen ja auch Charaktereigenschaften (niedlich vs wild) und Interessen (Schönheit vs. Action) mit in die Klischeeschubladen.

      Und zu Deinem ersten Punkt in Sachen Geschlechterhierarchie fällt mir wieder ein Artikel ein, in dem Diane Ehrensaft zitiert wird: „That’s because girls gain status by moving into “boy” space, while boys are tainted by the slightest whiff of femininity. There’s a lot more privilege to being a man in our society. When a boy wants to act like a girl, it subconsciously shakes our foundation, because why would someone want to be the lesser gender?

      Alles Gute für die kommenden Diskussionen! :)

Kommentare sind geschlossen.