Eine kleine Anregung zwischendurch, doch vorsichtig zu sein mit Aussagen wie
„Das war bei mir früher nie Thema“.
Zum Glück fällt es Eltern, Großeltern, Erzieher*innen immer häufiger auf, wie sehr Kinder heute mit rosa-hellblauen Klischees konfrontiert sind: Mädchenfarben, Jungsspielzeug, Elsakleid für Töchter, Actionfiguren für Söhne… Ja, es hat sich was verändert im Vergleich zur eigenen Kindheit, aber „Das gab’s bei uns damals nicht!“ mag ich so trotzdem nicht gern stehen lassen.
Denn was genau ist mit diesem „das“ gemeint? Rosa Ü-Eier? Lego mit pinken Steinen, Prinzessinenbrot vs. Männersalz? Ja, Gendermarketing war „damals“ noch nicht erfunden, und Ja, Werbung war anders, vielleicht offener in der Zielgruppe, weil „für Kinder“ und nicht auschließlich an Mädchen oder Jungen adressiert. – Und wenn wir von den 1970ern, 1980ern sprechen: Werbung war anders, schon allein, weil es nur drei TV-Programme und kein Internet gab! Trotzdem haben Jungen kaum mal eine Puppe geschenkt bekommen und Fisher Technik ging seltener an Mädchen.
Oder heißt „das“ = Rosa-hellblaue Kommentare übers Mädchen bzw. Junge Sein? „Heul nicht, Du bist doch kein Mädchen!“, „Mach die Beine zusammen, so sitzt eine Dame nicht“… Solange man kein Bewusstsein dafür hatte, musste es einem ja nicht auffallen, solange eine Sache keinen Namen hat, geht sie als normal und unter dem Radar durch. Wer kann schon noch genau sagen, wie oft in der eigenen Kindheit in Kita, Schule, Nachbarschaft Kommentare fielen „An der ist ein Junge verloren gegangen“, „Mädchen sind da eben begabter“, „Stammhalter“, …. Wer musste mehr im Haushalt helfen als die Brüder? Welches Vorbild in Sachen Rollenverteilung gaben die Eltern? Wieviele Frauen 50+ durften nicht die Ausbildung machen, die sie wollten, weil das nichts für Mädchen sei…??
Ich hatte auch eine Dampfmaschine, FischerTechnik, Werkzeugkasten UND Puppen. Aber die kleinen, alltäglichen Botschaften im Subtext, von denen fallen mir jetzt im Nachhinein so viele mehr auf, als ich mir vor 10 Jahren noch hätte vorstellen können, als ich weniger mit dem Thema befasst war. Und unterschätzen wir doch nicht die Botschaften von Tina&Tini, Hanni&Nanni und dem kleinen Trotzkopf! Bis heute noch muss Pippi Langstrumpf herhalten als Positivbeispiel für Bücher mit starker Mädchenrolle. Ist das nicht ganz schön armselig? Und was ist mit den vielen, leisen Botschaften über Geschlechterrollen in Flashdance, Dirty Dancing und den Bravo-Leserbriefen? Und was mit Klementine und dem Marlboro-Mann? Naja, und von den Schulbüchern fange ich jetzt gar nicht erst an…
Heute sind wir doch längst weiter!
Ja, wir sind heute längst weiter in so manchem. Als ich Kindergartenkind war, hätte mein Vater meiner Mutter noch verbieten können zu arbeiten (als passierte das nicht in manchen Familien immernoch), er hätte sogar bei ihrem Arbeitgeber ihren Job kündigen können (erst 1977 wurde das Gesetz geändert). Prima, dass Mädchen nicht mehr auf die Haushaltsschule geschickt werden und wir eine Bundeskanzlerin haben. Trotzdem wollen viele Kita-Mädchen später mal Model werden und finden sich als Sechsjährige schon zu dick, denn vieles ist heute wie gestern:
Die Mehrzahl der Mädchen bekommt immernoch automatisch im Lauf ihres ersten Lebensjahrs eine Puppe geschenkt, während Jungen sich fünf Mal häufiger eine wünschen müssen, bis sie sie bekommen, manchen bleibt sie verboten. Hanni & Nanni heißt jetzt ‚Jungs gegen Mädchen‘, der Marboro-Mann grillt sich eine echte „Männerbratwurst“ und Mütter haben immernoch den Schutzinstinkt in der DNA.
Und in manchen Punkten gehen wir zurück: Ein Kind mit langen Haaren wird automatisch als Mädchen gelesen, violette Kinderhosen oder rote Fahrräder können nicht mehr an kleine Brüder weitervererbt werden, und im Kleinkindalter wird manchen Mädchen ein Bikini oder T-Shirt aufgezwungen, während Brüder nackt im Planschbecken spielen dürfen.
Nachbarn haben ein Planschbecken aufgebaut und picknicken mit anderen.
Ich sehe viele nackte Kinder mit Penis und eines in Kleidung, dass sich lauthals beschwert, dass es auch gerne nackig wäre. Kommentar einer Person „Aber du bist ein Mädchen!“ 😑 #rosahellblaufalle— Anneliese Strühmel (@Schneepony) 23. Juni 2019
Willkommen in der Rosa-Hellblau-Falle!
mit Grüßen von Almut
Oh gott ja, das ist so wahr. Früher wars vielleicht nicht so weit verbreitet, dieser WErbungs-Generwahn, aber es gab dafür eben ganz andere Dinge, die im Argen lagen und es war einem eben nicht so sehr bewusst. Bei uns zu Hause war es tatsächlich nicht so, wir konnten immer tragen, haben, machen was wir wollten (wir sind aber auch zwei Mädls gewesen, wer weiß ob es mit einem Bruder anders gewesen wäre?). Aber das ganze Umfeld prägt dann eben doch. Mir fällt da ein vielleicht etwas überzogenes Beispiel ein – Komunion. Meine Schwester haste schon immer Kleider und hätte auch am liebsten zur Kommunion keines angezogen, aber bei uns in Franken, keine Chance. Mädls mussten ein weißes Kleid anziehen oder pech gehabt. Da fand ich das Konzept bei meinem Cousin in Sachsen besser – die haben alle einfach so eine Ministranten-Kutte gehabt, Mädls und Jungs. Oh und TKKG! Urgh ich mags zwar (hust) aber – heute fällt mir das mittlerweilge auf, alleine der Titelsong Tarzan ist der Ob und Gabi hat den Tarzan lieeeb, schlimm!
Hallo Franzi, ja, diese vielen, kleinen Regeln sind es, oder? Es gab und gibt davon so viele unausgesprochenen. Und TKKG, ja, die hatte ich auch :D Und jetzt gibt’s die Steigerung ‚Mädchen gegen Jungs‘ oder ‚Die drei !!!‘ – hätt’s echt nicht gebraucht! Alles Gute Dir,
vg,almut
Auch wenn es definitiv einige Klischee-hafte Dinge bei uns gab (Mein kleines Pony und Barbie vs. Werkzeugbank und Autoteppich), so gabs auch keine komischen Sprüche, wenn mein Bruder und ich beim Spielen die „klassischen Rollen“ verlassen haben. Er spielte als kleiner Knirps mit Ponys und Barbiehaus bei mir mit und ich bei ihm mit auf dem Autoteppich. Je älter wir wurden, gingen wir natürlich zunehmend unsere Wege. Kleidungstechnisch gab es keine Vorgaben und mein Bruder erbte noch eine ganze Zeit T-Shirts von mir. Da entstand der Druck eher ab der 7. Klasse durch die Mitschülerinnen. Ich erinnere mich, wie ich irgendwann meine heiß geliebte, quietschgelbe, kurze Hose nicht mehr tragen wollte und meine Eltern kleinlaut nach einer Schlaghose fragte, weil mich auf der Klassenfahrt einige zur Seite genommen hatten, um mir zu erklären, dass mein Kleidungsstil ja überhaupt nicht ging.
Bei unserer Tochter versuchen wir offen zu sein und ihr einfach möglichst verschiedene Anregungen zu bieten. Im Kleiderschrank gibt es von vermeindlichen Jungs-Sachen bis Kleidchen alles. Ich bin zum Spielen ein Freund von Hose und T-Shirt, wenn sie aber dann doch lieber ein Kleidchen will, dann ist das ok so. (Zumal ich die Modeindustrie dafür hasse, dass bei so kleinen Mädchen die Hosen schon Skinny sein müssen und es so richtige „Jogginghosen“ immer nur bei den Jungs zu geben scheint.)
Dieses „Mädchen gegen Jungs“ hab ich das erste Mal bei meiner Nichte gehört, als sie 5 war. Fand und find ich völlig daneben. Im späteren Leben ist Teamarbeit gefragt und kein gegeneinander, schon gar nicht aufgrund des Geschlechts. o.O Noch schlimmer, dass meine 3-jährige das nun manchmal nachplappert, wenn sie bei ihrer Cousine war. Ich hoffe, das ränkt sich noch ein und prägt dann nicht später die Geschwisterbeziehung zu ihrem Brüderchen, das bald dazu kommt.