Krankenschwester vs. Astronaut – die Rollenbilder bei Jako-o

Hallo JAKO-O-Team,

als Ihr Euch 2017 mit einer Spielküche (sie kocht, er telefoniert) unter den 5 Nominierten für den Goldenen Zaunpfahl wiederfandet, lautete Eure Reaktion gegenüber der Presse „Das nominierte Bild ist nicht repräsentativ für das bewusst genderneutrale Marketing von Jako-o.“ und „das Problem“ läge „im Auge des Betrachters oder der Betrachterin.“ „Man achte sehr darauf, in den Katalogen eine Welt ohne Rollenzuschreibungen abzubilden“, zitiert Euch Der Spiegel.

Foto: Jako-o Katalog 2017

2018

2018 wurde Euer kompletter Katalog mehrfach für unseren Negativpreis eingereicht, weil Ihr auf zahlreichen Seiten beweist, dass Ihr Rollenzuschreibungen, entgegen der o.g. Aussage, offenbar doch ganz toll findet. Oder warum sonst gehört die Werkbank bei Euch in die Kategorie „Kreativität / Jungs“ und die Nähmaschine lief unter „Kreativität / Mädchen“? Wie kam es zu der Aussage Blödsinn zu machen läge „in der maskulinen Natur der Sache„? Jungs sind „der Chef“ auf der Baustelle, während Vorschul-Mädchen ans Heiraten denken. (Mehr Klischee-Beispiele aus 2018 im Artikel ‚Warum entscheidet Ihr Euch nicht, Jako-o?‘)

Foto: Jako-o, Katalog 2018

Jetzt haben wir 2019.

Jetzt bereiten wir hier zum dritten Mal die öffentliche Preisverleihung des Goldenen Zaunpfahl in Berlin vor, und Ihr macht währenddessen Werbung für Karnevalskostüme. „Bauarbeiter, Astronaut oder Krankenschwester“ sind die drei Traumberufe, die Ihr für den Untertitel auswählt. Aufgereiht: Eine niedlich lächelnde Krankenschwester mit pinken Schläppchen und eine Reiterin mit rosa Weste.

Jako-o, Karnevalskatalog 2019 (Foto: thx to @BabsiBunt)

Astronaut, Rennfahrer, Superheld…und Krankenschwester.


Nicht nur, dass Ihr vom generischen Maskulinum nur dann abweicht, wenn es um Pferde und Carearbeit geht, hier sind auch die einzigen beiden Kinder mit langen Haaren abgebildet. „Fröhlicher Rollentausch“ nennt Ihr Eure traditionelle Berufszuweisung und titelt das ganze mit „Freie Wahl“.

Freie Wahl ?!?

Geht es Euch um die Provokation? Ist Euch egal, welche Rollenbilder Ihr Kindern vermittelt? Dass Ihr deren Wahlfreiheit einschränkt und mit dazu beitragt, dass Jungs sich nicht für Pflege zuständig fühlen und Mädchen sich allzuoft keine technischen Berufe zutrauen, Erwachsene ihnen sogar davon abraten? Seid Ihr scharf auf den ersten Platz beim Goldenen Zaunpfahl?

Ja, wir fragen auch Ferrero, Tchibo, Edeka… . Ja, andere sind auch nicht besser, Ja, aber auf Seite drölfzig belegt ein Junge ein Brötchen… Doch Ihr seid es, die sich an Eltern und Kinder richten. Ihr tragt mit dazu bei, wie Kinder die Welt sehen, Ihr seid mitverantwortlich für Normen rund ums „Junge sein“ und „Mädchen sein“. Denn Ihr seid vornedran, wenn es darum geht, Mädchen Pink und Jungen Blau zuzuweisen. Ihr druckt das Reh auf den pinken Pullover, den Adler auf den grünen. Ihr füllt die Sprechblasen der abgebildeten Kinder, lasst sie von Kleidern oder vom Weltraum träumen. Und Ihr fragt schon auf Seite Eins Eures Online-Shops das Geschlecht ab, anstatt Kleidung erst einmal in groß oder klein, Pulli oder Hose, drinnen oder draußen einzuteilen, Spielzeug nach Alter, in Haus oder Garten zu sortieren.

Steht wenigstens dazu!

Geschlechtliche Zuweisung von Interessen ist Euch wichtig, sonst würdet Ihr mehr darauf achten, dass Mädchen und Jungen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Geschlecht gemeinsam auf den Mond fliegen, auf der Baustelle arbeiten, gemeinsam malen, basteln, föhnen, kämmen, bauen und entdecken. Ihr wehrt Euch, wenn Ihr für Eure alten Rollenbilder kritisiert werdet, behauptet, „Freie Wahl“ sei wichtig, und macht im nächsten Katalog wieder das Gegenteil. Das verstehen wir nicht. Das hat schon Moritz 2011 nicht verstanden und Euch einen Brief geschrieben. So wie viele andere Kinder und Eltern danach. Aber Ihr haltet daran fest. Toppt denn der Umsatz wirklich jedes andere Argument? Dann steht wenigstens dazu und behauptet nicht, „das Problem“ läge „im Auge des Betrachters oder der Betrachterin“. Denn erkannt habt Ihr es bestimmt längst selbst. Als Ihr gespürt habt, dass Eure eigenen Kinder manchen ihrer Wünsche aufgeben, weil sie nicht der Norm entsprachen.

 

2 Gedanken zu „Krankenschwester vs. Astronaut – die Rollenbilder bei Jako-o“

  1. Ihr habt vollkommen Recht mit eurer Kritik. Geht echt gar nicht! Die Werbung beweist mir aber auch immer wieder, wie viel Einfluss das Selbstverständnis der Kinder hat. Meine Tochter – aufgewachsen mit der Aussage „Es gibt keine Mädchen- oder Jungs-Farben/Berufe – guckt sich die Werbung jedes Jahr an. Vorletztes Jahr wollte sie daraufhin spontan als Bauarbeiter zum Fasching, letztes Jahr als Astronautin 🙂

    1. Ich stimme Mareike absolut zu. So frustrierend es auch sein kann, mit Erwachsenen, die sich leider häufig eher kritisiert als interessiert an aufklärenden Informationen zeigen, so bestätigend ist es, wenn man sieht, dass der sensibilisierte Nachwuchs die Fallen schon in jungen Jahren genau erkennt und teils mit Empörung und Trotz und auf jeden Fall mit Selbstbewusstsein reagiert. Nur leider ist ja auch das noch immer keine echte Wahlfreiheit. Aber der beste Weg dorthin.
      Und es zeigt mir, wie weit wir schon in 20 Jahren sein könnten, wenn alle Kinder die Chance hätten diesen kritischen Blick zu entwickeln.

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