Drei Ausrufe- und drei Fragezeichen

»Die drei Ausrufezeichen«, eine Reihe des Kosmos Verlags, steht beispielhaft für Bücher, in denen Mädchen die Hauptrolle spielen. Damit möchte der Verlag seine treuen Leserinnen belohnen und erzielt mit dieser Strategie zuverlässig höhere Verkaufszahlen. Die schwarzen Bände aus der Detektivreihe »Die drei Fragezeichen«, die ich schon als Zwölfjährige gerne gelesen habe, stehen heute im Bücherregal

Kosmos Presse

??? und !!! – Cover und Titel im Kontrast

meiner Tochter Mika. Die ersten zwei hatte sie schnell durch, doch der dritte Band steht jetzt schon lange unberührt, es kam nämlich etwas dazwischen: ein rosa Buch der Reihe »Die drei Ausrufezeichen«, das ihr eine Freundin zum elften Geburtstag geschenkt hatte. Der Buchtitel »Gefahr im Fitness-Studio« löst nun also »Die flüsternde Mumie« ab. In der alten amerikanischen Serie sind alle drei Detektive Jungen. Doch anstatt in der neuen Reihe eine Gruppe aus Mädchen und Jungen gemeinsam Fälle lösen zu lassen, entschied sich der Verlag für ein reines Mädchenteam. Aus dem Blickwinkel geschlechtergerechter Pädagogik ein Rückschritt, aber vielleicht ein Fortschritt für den Verlag?

Warum hat es auf »Die drei Fragezeichen« eine weibliche Antwort gebraucht? Auf Nachfrage bei Kosmos in Stuttgart erfahren wir, dass sich der Verlag von der klaren Abgrenzung den größeren Erfolg versprochen hatte. Die Reihe der schwarzen »Drei Fragezeichen« richtet sich damit noch expliziter an Jungen, da die Mädchen aber nach wie vor mitlesen, haben sich die Verkaufszahlen insgesamt erhöht. Argument genug also, neben die Fragezeichen die »Drei Ausrufezeichen« dauerhaft in die Regale zu stellen, eine Mädchendetektivbande, bestehend aus Kim, »der Cleveren«, Franzi, »der Sportlichen«, und Marie, »der Trendigen«. Inzwischen ist der 45. Band erschienen, und die Titel verraten ziemlich genau, worum es in dieser Mädchendetektivwelt geht: »Betrug beim Casting«, »Gefährlicher Chat«, »Popstar in Not«, »Gefahr im Reitstall«, »Duell der Topmodels«, »Promihochzeit«. Blond, braun- und rothaarig sind die drei Mädchen auf jedem Cover abgebildet, zum mangaartigen Stil gehören lange Hälse, unnatürlich dünne Schlaucharme und überdimensionierte Augen unter großer Stirn. So sieht also die Antwort aus auf »Die drei Fragezeichen«, eine Buchreihe mit langer Geschichte und großem Erfolg, in der die drei Detektive Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews das Rätsel des Superpapageis, des Karpatenhunds oder des Phantomsees lösen. Doch während sich das Hauptquartier der »Drei Fragezeichen« auf einem spannenden Schrottplatz befindet samt Geheimeingang, treffen sich die Mädchen für ihre Besprechungen im Pferdestall. Die Detektivinnen nehmen Aerobic-Stunden, unterhalten sich über Pferde, Schminke und Styling, interessieren sich für ältere Jungen und wollen nicht zunehmen. Brüder, Väter und Kriminalkommissare werden mit »gekonntem Augenaufschlag« überzeugt, und sie springen dann ein, wenn die drei in eine Sackgasse geraten sind und Hilfe brauchen. Das »Drei Fragezeichen«- Pendant stellt die Beziehung der Mädchen in den Vordergrund, und das geht auf Kosten der Handlung; wirklich spannend wird es deshalb selten. Immerhin ist die herkömmliche Vorstellung vom bescheidenen und ängstlichen Mädchen ersetzt durch das Bild des modernen Mädchens: frech, clever und selbstbewusst. Der Kosmos-Verlag erklärt auf Nachfrage, die vielleicht plakativen Themen würden in den Büchern durchaus kritisch behandelt. Im Leben vieler Zehnjährigen spielen Mode, Lifestyle und Jungs nun mal eine große Rolle, der Verlag bediene also nur, was von den Leserinnen erwartet würde. Und aufgrund unterschiedlicher Interessen sei eine Trennung in Jungen- und Mädchenthemen durchaus sinnvoll. Wir erfahren außerdem, dass Produkte, Spiele oder Experimentierkästen, die sich an Mädchen und Jungen richten, niemals nur mit einem Mädchen auf dem Cover beworben werden. Mädchen akzeptierten auch ein Produkt, auf dem ein Junge abgebildet ist, bei Jungen dagegen stoße das auf Ablehnung, sie seien nur interessiert, wenn auch oder ausschließlich Jungen abgebildet seien.

Das Bedürfnis speziell der nicht lesenden Jungen sei Lesestoff rund um Fußball, Ritter und den Kosmos, denn »Jungen lesen – aber anders«, so die Erklärung der Stiftung Lesen. Doch unabhängig von den …

(Dieser Text ist ein Auszug aus Schnerring / Verlan: „Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees“ Verlag Antje Kunstmann, München 2014, S. 146-148)