Ü-Ei – Twittergewitter

Das Ü-Ei, genauer: das rosa Überraschungsei birgt Diskussionsstoff, wie kaum ein Ding sonst in der Gendermarketingdebatte. Wir dachten ja, der Streit darum hätte sich längst gelegt oder sei überholt von anderen rosa-hellblauen Lebensmitteln, wie Pombären, Senf, Chips oder Hähnchenschnitzel. Es gibt ja inzwischen kein Produkt mehr ohne Einteilung in Rosa und Hellblau – falls doch, wurde garantiert schon darüber nachgedacht, ob nicht auch dort durch Zweiteilung der Umsatz gesteigert werden könnte. Sich mit den Pro und Cons rosageblümter Ü-Eier zu beschäftigen sei „Luxusfeminismus“ der Reichen. Dabei funktioniert das Ü-Ei ja nur als Platzhalter für jede andere Ware, die mit extra Label „für Mädchen“ beworben wird. Das „Mädchen-Ei“ kam 2012 auf den Markt und im Vergleich zu anderen Werbeideen des Gendermarketing erhielt es überdurchschnittlich große Aufmerksamkeit. Und bis heute ist es der Klassiker des Gendermarketing und löst immer wieder Eltern-Kind-Szenen an der Kasse aus. Deshalb lohnt sich so ein Twitter-Sammelpost nach 3 Jahren rosa Ei-Angebot doch.

 

Ferrero selbst argumentierte in seiner Presseerklärung folgendermaßen:

Üeiklein„Erkenntnisse der Markforschung inspirierten Kinder Überraschung dazu. Die besagen, dass sich Mädchen heutzutage nicht mehr in nur eine Schublade stecken lassen. Pink und Ponyhof ist ihnen genau so wichtig, wie Fußball und Frauenpower. Eigene Erhebungen haben diesen Trend bestätigt. Ob Blumen-Ringe oder bunte Armbänder mit Tiermotiven – das Basissortiment des Mädchen-Eies hält genauso klassische „Mädchensachen“ bereit, wie auch aktivierende Spielzeuge zum Werfen, Spielen und Malen, Puzzeln und Basteln. Genau die Vielfalt also, die sich die Mädchen von heute wünschen. Und genau die Bandbreite, die Mädchen mädchengerecht anspricht und deren Individualität fördert.“



Kurz:

Wir haben herausgefunden, dass Mädchen Vielfalt wünschen und sich nicht in eine Schublade stecken lassen. Deshalb bieten wir ihnen Schmuck und Tiermotive und stecken sie in eine Schublade.

winx Ist es nicht trotzdem harmlos? Das „normale“ Ü-Ei ist ja weiterhin für alle da? Rosa Eier beinhalten Blümchenschmuck, dünne Püppchen und kleine Tiere. „Würde ein Junge […] einen solchen Inhalt bekommen, wäre er wahrscheinlich enttäuscht“ erklärt Ferrero Menschen, die sich gegen die Mädchen-Version aussprechen und steckt Jungs somit in die andere Schublade.

„Kann doch jeder selbst entscheiden, wer’s nicht mag, muss es ja nicht kaufen“ – das häufigste Pro-Argument. Wer so denkt, hat vielleicht Kinder nicht im Blick gehabt? Und nicht bedacht, dass sie keine pubertierenden Jugendlichen sind, für die Abgrenzung und Anderssein eine Rolle spielen mag. Kinder wollen dazugehören, sie haben beim Schokoladekauf kein Interesse daran, sich über irgendwelche Grenzen hinwegzusetzen: „Ich gehe in die zweite Klasse, bekomme 1,-€ Taschengeld die Woche und, hey, dafür kaufe ich mir jetzt ein Mädchen-Ei, der Papa wird schon sehn!“ ??
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Das Label „Für Mädchen“ ist also nichts, was ein Kind einfach irgnorieren könnte, dafür sorgen spätestens die umstehenden Erwachsenen. Abgesehen davon ist auch bewusstes Dagegen-Handeln eine Reaktion auf bestehende Regeln, also keine freie Entscheidung. Deshalb sprechen zwei wesentliche Gründe gegen das „für Mädchen“-Label: ein rosa Etikett schließt 1. Jungs aus (Antje Schrupp hat dazu schon ausführlicher geschrieben) und 2. weist es Mädchen Themenbereiche zu (Schönheit, Mode, kleine Tiere…), die immer wieder klischeehaft als Mädcheninteressen reproduziert werden. Auch auf Twitter zeigt sich, dass das Ei polarisiert. Die einen finden’s prima zu wissen, dass die Chancen auf eine Ponyfigur damit größer sind – nicht mehr, nicht weniger. Doch manche werden aggressiv, wagt jemand, das Maketingkonzept infrage zu stellen:

Über Logos, Etiketten und Labels, über Zugehörigkeit und Fremdgruppenhomogenitätseffekt werden ganze Bücher geschrieben, über die (unterbewusste) Wirkung von Werbung auf unser Handeln und Denken, über Zuschreibungen, Klischees und Vorurteile… Toll, wieviele Themen in so einem kleinen Ei stecken ;) Und dann wieder sind 140 Zeichen doch ausreichend, um zu zeigen: Das rosa Ü-Ei (als Vertreter des Gendermarketing insgesamt) ist blöd. Es steckt Kinder in Schubladen und schränkt sie ein. Übertrieben? Verfolgungswahn? Liest sich nicht so:

 

 

Bild-Quelle

Fazit aus all diesen Einkaufsszenen: Mädchen können in aller Regel beide Varianten kaufen, Eltern kommen damit klar, Kinder auch. Aber Jungs dürfen nur selten ein rosa Mädchen-Ei kaufen, weil sich sehr viele Eltern vom rosa Label in ihrer Entscheidung beeinflussen lassen und die Einschränkung an ihre Kinder weitergeben. Botschaft für viele Kinder: „Wenn du das magst, bist du irgenwie falsch.“ Etwas wortreicher und emotionaler erklärt das coldmirror in ihrem Video mit Kissen :)


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Schreibt uns Eure Meinung zum und Erlebnisse mit Gendermarketing, wie geht Ihr mit dem rosa-hellblauen Angebot um, v.a. im Alltag mit Kindern?

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