Gender*Sternchen

IS – Islamischer Staat, oder ISIS, ist die selbstgewählte Bezeichnung einer Terrorgruppe. Und obwohl der Mehrheit im deutschen Sprachraum bewusst ist, dass die mit dem Kürzel benannte Organisation kein Staat ist und mit dem Islam nichts zu tun hat, halten wir daran fest. Wir verbreiten diesen Namen weiter, obwohl uns klar sein sollte, dass wir mit dieser Bezeichnung die Gruppe überhöhen und damit ihren Anspruch anerkennen und zementieren, dass es einen nach den grausamen Vorstellungen des IS gestalteten islamischen Staat geben sollte. Dabei gibt es eine Alternative: Daesch, Daesh oder Da’esh (ausgesprochen Da-esch), kaum jemand weiß davon, selten taucht der Begriff in den Nachrichten auf, 2015 wurde er eine Weile in Artikeln diskutiert. (SZ: „Warum der Name ‚Daesch‘ den Islamischen Staat ärgert„, 3sat: „Daesh oder IS?„)

Heute nutzt die Mehrheit, vor allem auch Verantwortliche in Medien mit Reichweite und öffentlicher Gestaltungsmacht, weiterhin die Selbstbezeichnung der Terrorgruppe.

180°Wendung und Ortswechsel:

Der Genderstern oder Gender-Asterisk (*), der zwischen Wortstamm und der weiblichen Endung eingefügt wird, ist eine inkludierende, nicht diskriminierende Schreibweise, die viele inter und trans Menschen selbst wählen und vorschlagen, um damit auch Personen im Schriftbild sichtbar zu machen, die sich zwischen oder jenseits von Mann und Frau identifizieren.

Nun diskutierte der Rat für deutsche Rechtschreibung  vergangene Woche über das geschlechtergerechte Schreiben; mit auf der Tagesordnung stand der Genderstern. Es ging um die Frage, wie sich angemessen über Personen sprechen lässt, die sich nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen lassen (wollen). Immerhin hat ja das Bundesverfassungsgericht im Oktober 2017 ein drittes Geschlecht für den Eintrag im Geburtenregister gefordert: Das „Personenstandsrecht muss weiteren positiven Geschlechtseintrag zulassen„.

Doch der Rechtschreibrat hat nun seine Entscheidung über geschlechtergerechte Schreibweisen um viele Monate vertagt. Damit gilt also vorerst, was der Bundesgerichtshof auch im Fall Marlies Krämer im März 2018 befand: „mitgemeint“ zu sein, muss genügen. Auch wenn es für alles inzwischen eine „Frauenversion“ oder „Extra für Mädchen“-Ausgabe gibt: Schnuller, Chips, Bibel, AkkuBohrer, Salz, Klosteine, Diktate, Gartenhäuser… Wenn Dich die Sparkasse im generischen Maskulinum als „Kunde“ anspricht, dann gib ihr trotzdem Dein Geld, denn „das war schon immer so„. Da also schon die Verwendung der weiblichen Form in Bezug auf Kundinnen manchem zu viel Änderung auf einmal bedeutet, war zu erwarten, dass der Genderstern nicht einfach durchgewunken wird, obwohl er in vielen Bereichen und für viele Menschen längst selbstverständlich ist.

Ringschluss:

Warum fällt es so schwer, den Wunsch von Minderheiten in unserer Gesellschaft anzuerkennen, mit einer selbst gewählten Bezeichnung angesprochen zu werden? Transsexuell, transident, enby, homosexuell oder Gendersternchen, Sinti, Roma, Inuit*, afrodeutsch, deutschtürkisch oder Schwarz … warum hofieren wir sprachlich den Terrorismus und beharren all den friedlichen Minderheiten gegenüber auf verbaler Diskriminierung und Ausgrenzung?

 


*edit:

Indigene Völker Amerikas (Native Americans oder People of First Nations), Métis und Inuit.

Fremdbezeichungen sind vor allem auch deshalb diskriminierend, weil mit ihnen oft die Geschichte jahrhundertelanger Diskriminierung transportiert wird. Und nur ein Aspekt davon ist die Vereinheitlichung, die Gleichmacherei, an der sich die (historische) Unkenntnis Außenstehender verrät. Die kolonialistische Fremdbezeichnung ‚Indianer‘ kann deshalb nicht durch eine Selbstbezeichnung ersetzt werden. Es liegt in der Natur der Sache, dass kein Begriff existiert, keine Sammelschublade für die extrem unterschiedlichen weit über zweitausend Gruppen.

(Übrigens auch kein Bild! Sodass sich auch die Verkleidung „Dieses Jahr geh‘ isch als Indianer“ nur auf stereotype Vorstellungen Außenstehender beziehen kann; „Die Indianer“ gibt es nicht. Aber das ist wieder ein anderes Thema… *I’m not a costume*)

 


 

3 Gedanken zu „Gender*Sternchen“

  1. Guter Artikel, eine Anmerkung im Detail: meines begrenzten Wissens als Außenstehender nach ist Inuit eben keine unproblematische Eigenbezeichnung. Ist zwar eine Eigenbezeichnung, aber nur für einen Teil der Eskimo (dies wiederum ist eine Fremdbezeichnung unbekannter Etymologie). Yupik und Inupiat werden dadurch ausgeschlossen oder als Inuit fremddefiniert. Deshalb bevorzugen soweit ich weiß viele auch die Bezeichnung Eskimo. Diese durch „Inuit“ zu ersetzen wird einseitig von Vertretern der Inuit propagiert.

    1. Ah, okay, Danke für den Hinweis!
      Aus dem Grund hatte ich extra keine Bezeichnung für indigene Völker Amerikas (der nicht-arktischen Gebiete) in die Reihe genommen. Denkbare Alternativen für die kolonialistische Fremdbezeichung ‚Indianer‘ sind meines Wissens auch zu vereinheitlichend. Bin dankbar für Ergänzungen.

  2. Warum fällt es so schwer, den Wunsch von Minderheiten in unserer Gesellschaft anzuerkennen, mit einer selbst gewählten Bezeichnung angesprochen zu werden?

    Zwei Dinge: Ich glaube zum einen, dass es sehr schwer ist (besonders für ältere Menschen) tradierte Gewohnheiten hinter sich zu lassen. Und wenn man 50, 60, 70 Jahre lang so redet, wie einem der Schnabel gewachsen ist, würde man einen Zwang zum Gendersternchen als Affront empfinden.
    Zum anderen herrscht einfach eine große Unsicherheit. Die wenigsten kennen ja Online-Gender-Wörterbücher wie https://www.gendern.de/, wo ja auch mehrere Nebenformen stehen, für all diejenigen, die eben nicht nur Gaps und Sternchen setzen wollen, sondern elegantere Umformulierungen suchen.

    Ansonsten denke ich, dass das Ganze nur eine Frage der Zeit ist. Es wird gegendert werden, die Frage ist nur wann und wie es sich durchsetzt.

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