Für gestern Abend hatte sich die Redaktion von „hart aber fair“ um Frank Plasberg entschieden, Gleichstellung und damit zusammenhängend, den PayGap zu diskutieren … und das Thema wiederholt auf vergleichsweise lächerliche (edit: in der Kürze missverständlich und herabsetzend, deshalb gestrichen) Nebenaspekte zu reduzieren (Ampelmännchen, Unisex-Toiletten, Hirsche …). Der Moderator hat von Anfang an Stellung bezogen, seine Kommentare, die Zitate und Einspieler waren manipulativ. Dazu passend kamen drei Gäste zu Wort, die sich mit Fragen der Gleichstellung bisher wenig bis gar nicht befasst hatten (S. Thomalla hat vom generischen Maskulinum noch nie gehört und hält die Diskussion darum für Quatsch.), deren Alltagstheorien unwidersprochen blieben vom parteiischen Moderator (W. Kubicki beruft sich auf seine beiden Töchter, um zu belegen, dass es keine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im Berufsleben gibt.), die zudem offensichtlich falsch informiert sind über die Inhalte der Genderforschung und Ziele des Konzepts des Gender Mainstreaming (B. Kelle meint, Gleichstellungsbeauftragte förderten nur Frauen, Gender befasse sich nicht mit dem an Jungen vermittelten Männerbild). Die sachlichen Argumente kamen allein von Anne Wizorek und Anton Hofreiter, die andere Seite vertrat die Strategien Herablassung, Ahnungslosigkeit und Ins-Lächerliche-Ziehen.
Zurück bleibt Sprachlosigkeit darüber, dass in der ARD eine Sendung ausgestrahlt wird, die die Gleichstellungsdebatte negativ beeinflusst (Facebook- und Twitterkommentare belegen, dass Plasbergs Botschaft vom Genderwahn ankam), obwohl es den ganzen Abend überhaupt nicht um Gleichstellung ging. Was hat sich die Redaktion dabei gedacht? Toppen hohe Einschaltqoten jedes Argument? Oder gab es darüberhinaus ein überlegtes, inhaltliches Ziel dieser Sendung?
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Nachtrag am 2.4.15:
Der deutsche Frauenrat berichtet von einer Programmbeschwerde der Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros/ Gleichstellungsstellen NRW gegen die Sendung vom 2.3.15.
Darin heißt es unter anderem:
Die Sendung von Herrn Plasberg hat u.E. gegen die Programmgrundsätze („Wertende und analysierende Einzelbeiträge haben dem Gebot journalistischer Fairness zu entsprechen“) des WDR verstoßen.Wollen Sie auf diese Art und Weise mehr Frauen und junge Menschen für den WDR begeistern? Als Gebührenzahlerinnen verlangen wir Auskunft darüber, ob diese Art der Sendungsgestaltung prägend für den WDR werden soll.
Den genauen Wortlaut des Briefes an den WDR, an Tom Buhrow kann man >hier< nachlesen.
Liebe Almut,
Unisex-Toiletten ist kein lächerlicher Nebenaspekt von Gleichstellungsarbeit.
Es tut uns leid, wenn das zu kurz rüberkam. Wir halten sie nur für „vergleichsweise“ lächerlich, v.a. in der Darstellung von Hart aber fair. Sie sind keinesfalls überflüssig! Aber wir halten sie für ungeeignet, um sie auf einem ARD-Sendeplatz als Argument einzusetzen, in dem schon der Titel von „Gleichheitswahn“ spricht. Das Thema für diese Sendung einzusetzen, halten wir für manipulativ, denn es war damit zu rechnen, dass damit Gender-Gegner*innen in ihrer Haltung bestärkt werden. Es ging also offensichtlich nicht um die Sache sondern allein um Einschaltquoten. Was beim Thema Gleichstellung und GenderMainstreaming für eine öffentlich-rechtliche Sendeanstalt einfach nicht akzeptabel ist.
Unisex-Toiletten ist ein lächerlicher Nebenaspekt, der der feministischen Sache mehr schadet als er tatsächlich nützt. Sorry to bring it to you.
Liebe Almut, leider hat Wizorek eben nicht gut argumentiert, vor allem sich nicht benommen. Auch sie hat der feministischen Sache mehr geschadet als genützt. Wer solche Fürsprecherinnen hat, braucht keine Feinde. Sie macht deren Arbeit. Wer tatsächlich in so einer Sendung sagt „Ich sag nicht Frauenmannschaft, ich sag Frauenteam“, der hinterlässt den Eindruck, es gehe eigentlich um nichts Wichtiges. Diese Übertreibungen sind es, die es den wirklich reaktionären Kräften so einfach macht, gegen Feminismus zu polemisieren. Gebot der Stunde: Strategie überdenken.
Nein, sind sie nicht, aber wie wurden als Beispiel herangezogen, so dass das Thema insgesamt ins Lächerliche gezogen wurde. Weil das mit Toilettenwitzen vorhersehbar war, unterstelle ich der Redaktion Absicht.
„B. Kelle meint, Gleichstellungsbeauftragte förderten nur Frauen“
das ist korrekt. Die diversen Gesetze, in denen die Gleichstellungsbeauftragten und deren Aufgaben definiert werden, sagen meistens wörtlich und ohne jeden Interpretationsspielraum, daß Gleichstellungsbeauftragte die Interessen von Frauen vertreten. Beispiel:
http://bravors.brandenburg.de/de/gesetze-212787
§ 4 Grundsätze
(1) Zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern im öffentlichen Dienst sind Frauen nach Maßgabe dieses Gesetzes unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Vorranges von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Artikel 33 Abs. 2 Grundgesetz) zu fördern.
Das ist fallweise verschieden formuliert, läuft aber im Endeffekt immer auf die gleiche Gesetzeslage hinaus.
In der Arbeit von Gleichstellungsbeauftragten spielt ja das problematische Männerbild, auf das sich B.Kelle bezog (erhöhtes Krankheits- und früheres Sterberisiko), das die Erwachsenenwelt Kindern weiterhin vermittelt, durchaus eine Rolle. Aber vielen Dank für den Hinweis auf die gesetzliche Formulierung. Verstehe jetzt eher, warum das Ablehung hervorruft. Ich fürchte nur, der Alltag von Gleichstellungbeauftragten sieht anders aus.
„Ich fürchte nur, der Alltag von Gleichstellungbeauftragten sieht anders aus.“
Anders, als es die Gesetzeslage vorschreibt?
Nach meinem Eindruck ist es bei den hauptamtlichen Gleichstellungbeauftragten eher noch schlimmer als durch die Gesetzeslage vorgegeben. Mein Eindruck basiert auf 2 hauptamtlichen Gleichstellungbeauftragten bei großen öffentlichen Arbeitgebern, die ich persönlich und deren Milieu ich einigermaßen kenne, ferner mehrere ehemalige bzw. nebenamtliche.
Auf so eine Stelle, speziell eine hauptamtliche, bewirbt man sich nur, wenn man sowieso feministisch eingestellt ist. Das Umfeld, in dem diese Frauen dann täglich und ggf. in Vollzeit ausschließlich leben, ist geprägt durch die ständige Aufpasserfunktion, ob z.B. bei Einstellungen auch keinerlei Diskriminierung von Frauen aufgetreten ist, durch Vernetzungen und Arbeitsgemeinschaften wie die BAG (http://www.frauenbeauftragte.de), Koordinierungen mit anderen Frauenbeauftragten – deswegen der Begriff feministische Infrastruktur -, Kontakte zu feministischen Vereinen / Parteien / Aktivitäten usw. usw. So ein Milieu führt fast zwangsläufig der „Déformation professionnelle“, daß man überall nur noch die Unterdrückung der Frau sieht.
Eine der o.g. Beauftragten wurde vor einiger Zeit gefragt, ob sie auch beim Themenkomplex Diversität mitmachen wollte, wo es ja geschlechtsneutral um die Förderung bzw. Integration Behinderter, Fremdsprachler etc. geht. Antwort: klares Nein. Wenn überhaupt, dann nur als Intersektionalität, d.h. das grundlegende Dogma, daß ausschließlich Frauen diskriminiert sein können, sitzt extrem tief.
Oben stand in einem Kommentar der Satz „Wer solche Fürsprecherinnen hat, braucht keine Feinde.“ Also ich bin ja von der anderen Seite, und vielleicht begehe ich jetzt Hochverrat. Aber ich würde dazu raten, einmal über den psychologischen Effekt nachzudenken, den diese ca. 5.000 hauptamtlichen und einige 10.000 nebenamtlichen Frauenbeauftragten auf die öffentlichen Wahrnehmung des Feminismus haben. Der Eindruck, den aktuell gerade der Protest der Frauenbeauftragten gegen das geschlechtsneutral formulierte Quotengesetz macht, ist desaströs.
Die ehemalige Gleichstellungsbeauftragte (das sind übrigens (fast?) ausschließlich Frauen) Monika Ebeling wurde weggemobt, weil sie sich auch für Männer einsetzen wollte. Tatsächlich ist das absolut nicht vorgesehen und noch weniger gewollt, wenn auch mal die Seite der Männer vertreten wird, egal wie sinnvoll und notwendig es ist.
Die beiden einzigen, die sich mit der Materie auskannten, waren tatsächlich Kelle (nicht Hofreiter) und Wizorek, die findet, unerwünschtes weibliches Verhalten werde durch das Patriarchat verursacht.