… das hat uns sehr gefreut! Im Deutschlandradio kam heute eine Buchbesprechung der Rosa-Hellblau-Falle von Susanne Billig.
Nachdem wir in den letzten Tagen viele Gespräche geführt haben, die in Sackgassen geendet sind, ist es toll, mal wieder jemanden über das Thema und unser Buch spechen zu hören, die offenbar verstanden hat, was wir meinen, was unser Anliegen ist.
In der letzten Woche habe ich zum Beispiel von einem Kindergarten erfahren, in dem es einen extra Bereich für Mädchen gibt, damit diese auch mal vor den ach so wilden Jungs geschützt sind. Hallo? Ein ganzer Kindergarten und ALLE Jungs sind wild, und ALLE Mädchen brauchen Schutz? Dort hat offenbar noch niemand von überholten Rollenklischees gehört, und dass die Erwartungshaltung der Erwachsenen, wie Mädchen bzw. Jungen „nun mal so sind“, durch solch eine Regel an alle Kinder weiterverbreitet wird. Und später, wenn dann auch das letzte U2 Kind in die bereit gestellte Schublade passt, dann können alle Beteiligten sagen: Seht Ihr, wir haben’s ja gesagt. Kein Gedanke daran, dass Kinder es richtig machen wollen, dass sie dazugehören wollen und nicht mit Absicht anders sein wollen als ihre Freund*innen? Welcher Junge hat in so einer Umgebung noch die Chance, sich für Dinge zu interessieren, die durch das Kita-Team den Mädchen zugeschrieben werden? Welches Mädchen darf hier wild rennen, schubsen, laut sein, ohne zurecht gewiesen zu werden, ist schließlich untypisch und passt doch sowieso eher zu Jungs … ???
In einem anderen Kindergarten gab es letzte Weihnachten für die Jungen Merchandising-Autos aus dem Film ‚Cars‘ und für die Mädchen … Barbies! Kein Scherz! Ich wusste gar nicht, dass es die Plastik-Schlackse auch in Kitas gibt, ging naiv davon aus, die deutsche Kita sei ein Raum, wo jeder Gegenstand, bevor er gekauft werden darf, jedes Regal, jeder Stuhl, jeder Bauklotz auf seine Gefährlichkeit hin untersucht wird. Aber da geht es wahrscheinlich nur ums Ersticken und Runterfallen. Verschlucken am Schubladendenken wird hier wohl nicht als Gefahr eingestuft.
Harmlos dagegen die Anekdote einer Nachbarin: Deren Tochter antwortete im Kindergarten auf die Frage, was denn ihre Lieblingsfarbe sei: „Hellgelb“. Die Erzieherin darauf: „Nicht Rosa? Das ist aber ungewöhnlich.“
Zu diesen Beispielen passt mein Vortragserlebnis mit einer Gruppe Erzieherinnen. Ein Teil von ihnen war nämlich bis zum Schluss der Veranstaltung der festen Überzeugung, dass es zwar Werbung und Eltern echt übertreiben mit diesem rosa Spielzeug und der rosa Kleidung, dass sie selbst aber in ihrem Alltag mit Kindern völlig neutral handeln. „Was wollen Sie denn eigentlich von uns?“ – war eine Stimme aus dem Publikum, das doch eigentlich gekommen war, um einen Vortrag zu hören zum Thema „Geschlechtergerechte Pädagogik. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees“. Eine andere meinte, ich hätte wohl ein etwas pessimistisches Weltbild. Dabei sollte ich vielleicht erwähnen, dass in einem Saal voller Erzieherinnen – wie so oft – nur ein einziger Mann saß. Aber auch das war an diesem Tag für manche nicht Beweis genug, dass Rollenklischees Teil unseres Alltags sind. „Bei uns? Niemals, die anderen sind Schuld!“ – praktisch, oder?
Tatsächlich gibt es eine aktuelle Studie, (Interview darüber in derstandard.at) die belegt, dass weibliche Fachkräfte mehr Unterschiede zwischen den Geschlechtern machen, weil sie für das Thema weniger sensibilisiert sind als Männer, die sich für den Beruf des Erziehers entscheiden.
Doch, es gibt auch die anderen Beispiele von Erzieher*innen, die kleine Jungs im Spiel mit dem Puppenhaus gegenüber ihren Müttern verteidigen und ihnen erklären, dass es hier um Interessen und Verhaltensweisen geht und keinesfalls um Homosexualität und die Frage, wen das Kind als Erwachsener einmal lieben wird. Es gibt sie, die Erzieher*innen, die Fortbildungen besuchen, die zum Beispiel am Projekt MAIK teilgenommen und/oder sich ins Thema geschlechtergerechte Pädagogik eingelesen haben. Und es gibt Kindertagesstätten, die die geschlechtergerechte Pädagogik als wesentlichen Teil ihres Konzeptes anführen. Nur leider haben solche Überlegungen bei den Begegnungen, die ich in den letzten Tagen hatte, so gar keine Rolle gespielt. Schade.
Vor diesem Hintergrund also herzlichen Dank an Susanne Billig für diese positive Buchbesprechung :-) Hier geht’s zur Audioversion des Gesprächs, und hier der Link zu den Seiten des Deutschlandradio: