
Foto, CC by 2.0. , by hobvias sudoneighm
Seit ich vor ein paar Wochen online einen Staubsauger gekauft habe, bekomme ich nun Werbung für Staubsauger und Staubsaugerzubehör an der rechten Seite meiner Suchmaske aufgelistet. Mein Browser geht wohl davon aus, ich sei immer noch unentschieden. Das ist an sich ein gutes Zeichen, beweist es doch, dass die Verknüpfung von Kaufinteresse, online-Kauf und Kontoabbuchung (noch) nicht stattgefunden hat. Nur ich weiß also, dass ist bei uns längst wieder gesaugt wird, und ich nicht mehr zu einem Neukauf überredet werden kann.
Da ich aber nach Staubsaugern suche, nach Flohmärkten für Kinderkleidung, Nachmittagsveranstaltungen mit Kindern und Urlaubszielen ‚weiß‘ meine Suchmaschine längst, dass ich eine Frau bin. Dazu braucht es noch nicht einmal meine Browser-Historie, da reichen sogar die 140 Zeichen von Twitter-Nachrichten. Niederländische Sprachforscher_innen haben ein Computerprogramm entwickelt, das Alter und Geschlecht der Nutzer_innen anhand ihrer Twitterverlautbarungen identifizieren kann. Frauen twittern angeblich öfter ‚Hihi‘ und Männer mehr von Bier und Fußball, doch auf diese offensichtlichsten Unterscheidungskriterien ist das Analyseprogramm gar nicht angewiesen, erklärt die Sprachforscherin Dong Nguyen von der Universität Twente: „Die Jüngeren sprechen oft von sich selbst und nutzen viele Smileys. Die Älteren dagegen nutzen längere Wörter und schreiben längere Sätze.“ Das ist nur ein Beispiel dafür, wie Informatik und Computerindustrie die automatisierten Analyseverfahren immer weiter verfeinern, um aus unserem Nutzungsverhalten Rückschlüsse zu ziehen über uns als real handelnde Personen.
Das Geschäftsmodell Internet funktioniert nach diesem einfachen Prinzip: Je mehr ein Onlinedienst über seine Nutzer_innen weiß, desto gezielter kann er sie mit Informationen und Werbung versorgen, desto mehr Geld kann er damit verdienen. Geheimdienste wollen herausfinden, ob wir eine Gefahr sind für das Allgemeinwohl, Arbeitgeber, ob wir zuverlässig und loyal sind, Banken, ob wir kreditwürdig sind … es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Gründe, weshalb all die Daten über uns gesammelt werden. Denn je genauer unser jeweiliges Nutzungsverhalten, unsere Interessen und unsere Konsumgewohnheiten eingeordnet und damit auch vorhergesehen werden können, desto gezielter können wir angesprochen, bedient, aber auch manipuliert werden. Der oft gebrauchte Satz: „Google doch mal“, entbehrt längst jeder Grundlage, weil wir eben nicht mehr dieselben Suchergebnisse angezeigt bekommen. Wenn ich google, dann bekomme ich andere Suchergebnisse angezeigt als Sie. Männer und Frauen, Alte und Reiche, Junge und Arme, Deutsche und Nichtdeutsche, wir alle bekommen andere Antworten auf unsere Fragen an die Welt, weil uns die Algorithmen von Google jeweils anders kategorisieren und uns entsprechend andere Suchergebnisse und Werbeeinblendungen liefern. Je präziser diese Profile werden, desto genauer können die Informationen auf unsere Vorlieben und Interessen abgestimmt werden, bis wir am Ende das Gefühl haben, die Welt ist genau so, wie wir sie uns immer vorgestellt haben.
Wenn wir ein Buch lesen oder eine gedruckte Zeitung, dann bekommen wir alle dieselbe Ausgabe, auch wenn wir den Inhalt individuell anders verstehen, wir gehen dennoch alle von derselben Grundlage aus. Diese gemeinsame Basis gibt es im Internet nicht mehr. Meine virtuelle Welt ist anders als die Ihre. Meine Onlinewelt wird anders sein als die meiner Kinder, mein Sohn wir auf andere Seiten geleitet werden als meine Tochter.
Ich möchte selbst wählen dürfen. Ich möchte keine Vorauswahl in meinem Browser, keine Zensur der Informationen, kein Angebot, das positiv formuliert daherkommt, es sei auf meine individuellen Bedürfnisse „zugeschnitten“. Nein, Danke! Denn das bedeutet, dass der Rest ausgeblendet wird, so dass ich ab sofort nicht mehr sehen darf, was links und rechts meines jetzt eingeschränkten Blickfeldes passiert.
NACHTRAG im April 2014, zum Weiterlesen:
Ein Artikel zum Thema in der faz von Yvonne Hofstetter gibt es *hier*
Und die ganze Problematik nochmal in anschaulich *hier*
Nachtrag im Mai 2014:
Der Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen auf der re:publica über Informationsfilter und Auswahlkriterien: „Wer den Algorithmus programmiert, der bestimmt, welchen Realitätsausschnitt wir zu sehen bekommen“. (Artikel im Hamburger Abendblatt)