Flausch für Große

Liebe Eltern, liebe Erzieher*innen, liebe Interessierte, die mit Kindern leben und arbeiten

Haben Sie auch eine süße Schnecke bei sich zuhause oder einen wilden Tiger in Ihrer Gruppe? Waren Sie früher selbst ein frecher Dachs, aber die Erwachsenen sahen in Ihnen oft die schüchterne Maus?

Flausch. (c) Jennifer Coulmann

Es ist wohl jedes Kind irgendwann mal ein lustiger Räuber, dann wieder ein süßes Küken und manchmal ein brummiger Bär. Kinder sind vielseitig, probieren sich aus, und sie müssen sich zum Glück in so vielem noch lange nicht festlegen. Anders wir Erwachsenen. Wir arbeiten mit Kategorien, weil das praktisch ist und weil es ohne oft gar nicht geht. Bloß manchmal, da merken wir gar nicht, dass wir an einer Zuschreibung festhalten, die gar nicht mehr aktuell ist. Oder die wir zu schnell getroffen haben, ohne nochmal genauer hinzuhören.

Studien zeigen, dass Eltern ihre Kinder ganz unterschiedlich behandeln, auch dann, wenn sie meinen, keine Unterschiede zu machen. Sie erwarten anderes vom jüngsten Kind, der immer kleinen Maus, die selbst dann noch die Süße ist, wenn die das Alter erreicht hat, in dem Frauen Kompetenzen abgestritten werden, wenn sie niedlich wirken.

Eltern von Söhnen erkennen in ihrem Kind häufiger den schlauen Fuchs, während Eltern von Töchtern eher den schönen Schmetterling sehen.

Jungen wird ein größeres Interesse für Technik zugeschrieben. Sie bekommen häufiger Spielzeug, das die Motorik fördern soll, sogar dann, wenn sie sich eigentlich seit langem eine Puppe oder eine Spielküche wünschen. Mädchen dagegen bekommen seltener technikbezogenes Spielzeug geschenkt. Interessieren sie sich später für einen technischen Beruf, wird ihnen davon häufig abgeraten und eher ein Dienstleistungsberuf empfohlen. Die Prinzessin, der Racker, die Zicke, der Tiger…  Kosenamen enthalten also nicht nur Beschreibungen, sondern manchmal auch (unbewusste) Wertungen und Erwartungen. Die Zuschreibungen der Erwachsenen prägen Kinder in ihrer Entwicklung. Denn indem sie genau hinsehen, zuhören und zwischen den Zeilen lesen, erfahren sie von den Großen, wie deren Welt funktioniert und was man tun muss, um dazuzugehören.

Zusammen mit dem Flausch lade ich dazu ein, mit Kindern und Familienmitgliedern über Zuschreibungen und eng gewordene Schubladen zu sprechen. Bevor Sie das tun, haben Sie vielleicht Spaß daran, sich an Ihre eigene Kindheit zu erinnern und sich die nachfolgenden Fragen zu beantworten. Nehmen Sie sich Zeit, Sie müssen gar nicht alle und auch nicht zum selben Zeitpunkt beantworten. Überlegen Sie während Sie Bus fahren, im Wartezimmer sitzen oder einen Spaziergang machen. Dabei gibt es keine falschen Antworten und Sie müssen Sie auch im Anschluss niemandem zeigen. Es geht nur darum, eigene Antworten gefunden zu haben, bevor Sie dieselben und ähnliche Fragen anderen stellen. Denn es gibt kein persönlicheres Thema als das eigene „Ich“ in Frage zu stellen. Also wo anders sollte die Auseinandersetzung damit beginnen, als bei sich selbst.

Alles Gute dafür wünscht

mit bunten Grüßen,  Almut Schnerring


Fragen zur Selbstreflexion

  • Als Sie Kind waren, wer hat Ihnen auf welche Weise vermittelt, dass sie ein Mädchen bzw. ein Junge sind? Wie wurde Ihnen das erklärt, in welchen Worten, in welchen Momenten, durch welche Aussagen oder Regeln?
  • Wie ging es Ihnen damit? Waren die Regeln und Erwartungen stimmig zu dem, was Sie selbst empfunden haben? Hat Ihr Verhalten, Ihr Aussehen, Ihr Auftreten dazu gepasst?
  • Waren Sie ‚richtig‘ in den Augen der Erwachsenen oder sollten Sie sich ändern? In welchen Punkten? Und sind Sie der Aufforderung gefolgt? 
  • Und wie sieht es heute damit aus: Welche Erwartungen werden an Sie herangetragen allein aufgrund Ihres Geschlechts? Mit welchen fühlen Sie sich stimmig, und gibt es Erwartungen, denen Sie nicht entsprechen (wollen)?

Flausch

Dieser Text ist das Nachwort aus meinem Bilderbuch „Flausch“ (Juni 2023), in dem es um genau diese Fragen des Dazugehörens und Andersseins geht. In einer Geschichte für Kinder ab 3 Jahren, aber auch für die Großen geeignet, um über das Schubladendenken ins Gespräch zu kommen.

Bestellbar ist es ab sofort und lieferbar ab Juni 23 in der Buchhandlung bei dir um die Ecke. Oder auch bei der Autorenwelt, ein Programm, das mein Autor*innen-Honorar mit jedem Kauf um rund 1€ erhöht.

… mit allen Informationen rund um das Buch.

Flausch. Almut Schnerring und Jennifer Coulmann. Carlsen Verlag 2023.

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