Rote und Blaue

Geschlechtertrennung in der KiTa

„Es gibt unsere Kindergarten-T-shirts in blau und rot. Die Jungen suchen sich das blaue und die Mädchen das rote aus. KiGa 2016 #fail“ – der Twitterpost einer Mutter, ein Satz einer Kita-Leiterin am Elternabend. Der Post ist von vorgestern, aber er beschäftigt mich weiterhin.


Ich wünschte, ErzieherInnen, Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen wüssten Bescheid über die Ergebnisse der Minimalgruppenforschung: Wenn eine Gruppe in 2 geteilt wird, entsteht Wettstreit, es entsteht eine „Wir-Gruppe“ und eine „Fremdgruppe“ (= Die Anderen). Das kann man bei Fußballfans beobachten, bei unterschiedlichem Musikgeschmack, Nordstadt-Südstadt, Mauer, Herkunft, Religion… (Deshalb wohne ich in Bonn auf der falschen Seite des Rheins = die „Schäl Sick“  heißt seit jeher „die Andere“ Seite des Rheins (schäl = rheinisch für scheel / falsch / schlecht). Natürlich aus Sicht jener, die drüben, auf der Zentrumsseite wohnen :-) )

„Die Anderen“ werden herabgesetzt

Sogar, wenn man eine Münze wirft und die Gruppe willkürlich in Kopf und Zahl trennt: Die Fremdgruppe wird herabgesetzt, „die Andern“ scheinen alle irgendwie ähnlich, die Wir-Gruppe fühlt sich „besser“, „richtiger“ an, und die eigene Meinung, die eigene Haltung, so manche Entscheidung wird gerne an den Konsens der Wir-Gruppe angepasst (sog. „Ingroup-Bias“). Das ist bei Erwachsenen so, aber mehr noch bei Kindern in einem Alter, in dem es wichtig ist, sich als Teil der Gruppe zu fühlen, mit dem sich eines identifiziert. In Bezug auf die Rosa-Hellblau-Falle geschieht die Trennung aufgrund des Geschlechts: „Wir Mädchen – Ihr Jungs“ und andersherum. Das Gendermarketing trennt in Prinzessinnen und Helden, und die Trennung wird für Kinder offensichtlich durch die Farbregeln der Erwachsenen, die wir ihnen an allen Ecken vermitteln: Rot-Rosa-Pink-Töne werden Mädchen zugeordnet, Blau-Schwarz-Orange dominiert in der Jungsabteilung.

Es geht ja nicht darum, Mädchen-gegen-Jungs-Spiele zu verbieten, und natürlich (?) distanzieren sich Kinder auch selbst durch Sprüche voneinander: „Jungs sind Piraten – Mädchen sind Tomaten“. Aber welches Interesse haben Erwachsene daran, die Trennung nach Geschlecht im Kindergartenalter zu unterstützen? Und doch teilt die Kita im zitierten Post ihre Kinder in Rote und Blaue und denkt sich nichts dabei.
Das frappierendste daran: es gibt eine Studie mit exakt diesem T-shirt-Setting!

Trennung in Rote und Blaue trennt auch das gemeinsame Spiel

Es ist also bekannt, was dadurch passiert. Aber die Kita weiß davon nichts. Was dort wahrscheinlich als harmlos empfunden wird (Motto: „Das sind doch nur Farben, lasst sie doch, ist doch ok, Mädchen mögen nun mal lieber Rot“), ist das Beispiel schlechthin für die Rosa-Hellblau-Falle. Es sorgt für eine Trennung im Alltag zwischen Jungen und Mädchen, es trennt Jungen und Mädchen im Spiel, es sorgt für Wettstreit unter ihnen und zur Anpassung innerhalb der Gruppen. Die wenigsten Teams von Kindertageseinrichtungen werden sich bewusst sein, dass sie selbst zur Geschlechtertrennung beitragen. Doch der „Homogenitätseffekt“ innerhalb der Gruppe der Mädchen bzw. Jungs tritt automatisch ein, wenn man T-Shirts, Schultüten oder Kleiderhaken in nur zwei und zudem geschlechterkonnotierten Farben anbietet. Wenn man Fragebögen für Mädchen mit einem Schmetterling versieht und die Version für die Jungs mit einem Hai. Wenn man „Die Jungs“ geschlossen aufs Außengelände schickt, um sich auszutoben, wenn „die Mädchen“ heute mal zuerst in den Waschraum gehen. Das heißt, Erwachsene nehmen sehr wohl Einfluss darauf, ob sich Jungen und Mädchen in einer Kita, in einer Schule gut verstehen, ob Spiele und Streitigkeiten immer in Gruppen Jungs-gegen-Mädchen ausgetragen werden, oder ob auch andere Kategorien zählen und Gruppen nach unterschiedlichsten Kriterien gebildet werden.

Rote und blaue Kindergarten-T-Shirts jedenfalls haben dieselbe Wirkung wie das Angebot des Gendermarketing, nur eben hausgemacht und das im eigentlich geschützen Raum der Kita.

2 Gedanken zu „Rote und Blaue“

  1. ich zuckte auch zusammen bei dieser Äußerung. …. umso schöner zu beobachten, dass die eine Tochter ne wilde Indianerparzy gefeiert hat und die andere Tochter nicht eine Sekunde zögert, ihre Kumpels zur Feenparty einzuladen. …. und bis auf einen haben die Jungs auch freudig zugesagt…..was das beweist? Es sind die Erwachsenen, die stigmatisieren und brave Mädchen und echte Kerle ranzüchten wollen….. bleibt zu hoffen, dass die Kinder sich davon freimachen. …

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