Werbemenschen lieben Geschlechterklischees

Alles nur ironisch gemeint?

Damit hat sich der Deutsche Werberat schon öfter rausgeredet. Auch als sich Pinkstinks.de gegen sexistische Werbung allüberall ausgesprochen und eine Petition gestartet hatte. Ist doch nichts dabei…, man wird doch wohl mal…, lustig-lustig…

Es ist vorgestrig, dass Frauen in der Werbung ständig auf alte Muster reduziert werden.   Aber glaubt man den Werbemacher_innen, sind Männer und Frauen nun mal fürchterlich einfach gestrickt. „Der Wandel der Gesellschaft fordert Gender Produkte“ weiß die Basler Redaktion von foodnews.ch. Deshalb gibt es einen Chipshersteller, der seit Herbst Chips in zwei nach Geschlecht getrennten Tüten verkauft, die einen für den „Mädels-“ die anderen für den „Männerabend“. Damit da nichts durcheinander kommt, die Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. Das erkennt mann und frau auch daran, dass Frauen Joghurt soooo sehr lieben. Die Werbung weiß das. Und Sarah Haskins macht sich über diese „natürliche“ Verbindung in ihrer Serie ‚Target Women‘ (die leider inzwischen eingestellt wurde, aber hier kann man sie noch sehen) auf ihre Weise lustig :-)

Walulis informiert dafür in seinem Werbespot zum ‚Pure Beef Burger‘ umfassend über Flaaaiisch für den echten! Mann, ausführlicher und stringenter in der Argumentation ist keine Grill- oder Würstchenwerbung:

 

Vielen Dank auch an Antje Schrupp, die einen Brief von Susanne Enz veröffentlicht hat. Anlass: Frauen- und Männerbratwurst – jawohl, das braucht die Welt – mit den passenden klischeehaften Aufklebern auf der Packung. Und Caprisonne wirbt für den „Elfentrank“, indem sie die Verpackung mit rosa bedruckt: „lässt Mädchenherzen höher schlagen“ – das könnte auch an der Zuckermenge liegen, jede Überdosis geht aufs Herz, aber na gut. Jedenfalls unterscheidet sich der Inhalt nicht wirklich von anderen Caprisonne-Angeboten, aber es steigert den Umsatz, wenn man speziell ein Produkt für Mädchen anbietet und ein zweites, das Jungs anspricht. „Geschlecht ist ein Riesengeschäft“, sagt die Wiener Rechtsphilosophin Elisabeth Holzleithner im Gespräch mit Lukas Elsler und Theo Starck im Münchner Studentenmagazin ‚philtrat‘. Gendermarketing ist so erfolgreich, dass dafür sogar das Binnen-i akzeptabel wird: „Für SalatesserInnen“ werben die Fastfood-Leute mit dem gelben M. Um das Binnen-i wird sonst so verbissen gestritten, unnatürlich sei es, es störe den Lesefluss und überhaupt, eine Sprachverhunzung… Aber wenn es um Salatwerbung geht, da passt es plötzlich.

So viel zum Essen, dabei könnte es ewig so weitergehen, nichts davon ist erfunden: Frauen- und Männersenf, Kekse extra für Mädchen… Gendermarketing, Rollenklischees und sexistische Werbung – das Thema hat schon manche_n fassungslos gemacht. „Die Dose trägt Dessous – hi hi“, Silke Burmester findet’s auch total lustig. Aber hey, wer den Sinn sexistischer Werbung nicht versteht „und keinen Humor hat, der sollte in nächster Zeit vielleicht alle Medien meiden“, findet die „nnz-online“-Redaktion in Nordhausen, als die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt eine schlüpfrige Werbeanzeige der Zeitung kritisiert.

Aber wenn ein sexistischer Spot oder ein Plakat witzig sein will und in der Darstelllung übertreibt, dann ist er deshalb immer noch nicht zum Lachen, und zweitens nicht weniger sexistisch. Anita Sarkeesian macht das in ihrem Video über ‚Retro sexism and ironic advertisting‘ an vielen Beispielen anschaulich:

Die Werbewatchgroup Wien fasst zusammen, dass es egal ist, in welcher Rolle Frauen und Männer in der Werbung inszeniert werden, die grundlegenden Geschlechterstereotype blieben immer die gleichen: Frauen würden als abhängig, verständnisvoll und emotional dargestellt, Männer dagegen als unabhängig, dominant und zielstrebig:

„Die Reduktion der Werbung auf die Zweigeschlechtigkeit und auf klassische weibliche und männliche Stereotype ist weit davon entfernt, die Bandbreite der Geschlechteridentitäten, deren Verhaltensweisen und Lebensstile abzubilden. Unsere Lebensrealität ist ungleich vielfältiger und widersprüchlicher, als es uns die Werbung glauben machen will“.

Eine Deutsche Watchgroup gibt es meines Wissens nicht, aber immerhin stellt der Deutsche Werberat ein Beschwerdeformular zur Verfügung, über das Menschen auf derart lustig-ironische Werbung aufmerksam machen können.

„In der kommerziellen Werbung dürfen Bilder und Texte nicht die Menschenwürde und das allgemeine Anstandsgefühl verletzen. Insbesondere darf Werbung – gerade gegenüber Kindern und Jugendlichen – nicht den Eindruck erwecken, dass bestimmte Personen minderwertig seien oder in Gesellschaft, Beruf und Familie willkürlich behandelt werden können“ – so die Grundsätze des deutschen Werberats.

Leider ist für den Werberat die Grenze nur selten überschritten, dort findet Mann seit 40 Jahren (noch nicht so lange wurden drei Frauen „extra berufen“) so manches lustig-ironisch, was weit über „erotisch“ oder „sinnlich“ hinausgeht. Trotzdem hoffe ich, dass viele diese Gelegenheit nutzen, damit nicht noch mehr Küchenparadise mit devoten, Deos mit kopflosen und Speditionen mit nackten Frauen werben.

Wenn das Formular schon mal jemand von Euch genutzt hat und die Antwort hier zitieren möchte, freue ich mich über Infos dazu!