Anne Wizorek: #WasAndersWäre

#WasAndersWäre

Der Gastbeitrag ist dieses Mal von Anne Wizorek, die auch in unserem Radiofeature zu Wort kam und die sechs Fragen dafür beantwortet hatte. Hier sind sie noch einmal alle in ungekürzter Form.

(Foto: CC-BY Anne Koch)

(Foto: CC-BY Anne Koch)

Anne Wizorek ist selbstständige Beraterin für digitale Medien und lebt im Internet und Berlin. Sie ist Initiatorin des mit dem Grimme Online Award ausgezeichneten Hashtags #aufschrei und Autorin des 2014 erschienenen Buchs „Weil ein #aufschrei nicht reicht – Für einen Feminismus von heute“. Auf dem von ihr gegründeten Gemeinschaftsblog kleinerdrei.org schreibt sie zu Herzenshemen von Politik bis Popkultur.

  1. Was wäre anders in deinem Leben, in deinem Alltag, wenn du ein Mann/eine Frau wärst?

Wenn ich das Haus verlasse, ist es für mich ist ein elementarer Bestandteil, dass ich Kopfhörer dabei habe. Nicht nur um Musik zu hören, sondern als Abgrenzung, um blöde Sprüche und belästigende Kommentare, auf der Straße eben nicht mitbekommen zu müssen. Das wäre also wahrscheinlich anders und sorgloser, wenn ich ein Mann wäre. Außerdem glaube ich, dass mir wesentlich mehr Menschen zuhören würden, wenn ich über Feminismus rede, weil das mehr Aufmerksamkeit bekommt, wenn solche Dinge von einem Mann gesagt werden. Es ist tatsächlich schwer, mir das vorzustellen, denn wäre ich Mann, würde ich mich überhaupt so mit Feminismus auseinandersetzen? Denn dann wäre ich ja in der privilegierten Lage, Sexismus auch einfach mal ignorieren zu können im Gegensatz dazu, wie ich es als Frau erfahre. Aber ich gehe mal davon aus, dass ich dann ein feministischer Mann wäre, und dann wäre ich zumindest ganz schön genervt davon, wie unsere Gesellschaft tatsächlich immer noch über Männer denkt.

 

  1. Was tust du nur deshalb, weil du eine Frau/ein Mann bist?

Schminken vielleicht? Als Mädchen oder Frau besteht ja ein ganz anderer Zugang um sich auch über Schminke selbst auszudrücken. Dabei sollte Schminken natürlich weder als Muss für Frauen gelten, noch als „Niederlage“ gegenüber patriarchalischen Strukturen ausgelegt werden, wenn sie es ganz einfach gerne tun. Ich habe mich auch schon gefragt, ob ich mich als Mann ebenso schminken würde. Also wie es einerseits von Frauen erwartet wird, ist es andererseits für Männer ja total verpönt – weil es eben vor allem mit Weiblichkeit verbunden wird und so das patriarchalische Männlichkeitskonzept in Frage stellt.

 

  1. Was tust du nicht / welche Dinge lässt du lieber, weil du ein Mann/eine Frau bist?

Einfach sorglos aus dem Haus zu gehen und die Straße entlang, wenn es dunkel ist zum Beispiel. Also ich denke da schon auch immer noch drüber nach. Auch gerade in Bezug auf Freundinnen, wenn ich weiß, dass sie zum Beispiel ein Blind Date haben. Dann muss auch immer irgendwie eine Absicherung da sein, als dass sie einfach dort hingehen könnten. Sich in solchen Situationen keine Sorgen wegen der körperlichen Sicherheit machen zu müssen, das fehlt.

 

  1. Durch welches Klischee fühlst du dich persönlich beeinträchtigt?

Was mich immer wieder irritiert, ist wirklich, wie viele Menschen nicht damit klarkommen, wenn Frauen mal nicht nett sind. Das wurde ja auch im Rahmen von #aufschrei nochmal ganz deutlich: Frauen dürfen sich nicht beschweren, denn dann wird es so empfunden, dass sie nur am Meckern und am Rumnölen sind. Frauen haben im Grunde keine legitime Position, um einfach mal sauer über Ungerechtigkeiten sein zu dürfen, sonst sind sie gleich hysterische Zicken, hässliche ungeliebte Männerhasser und was weiß ich nicht alles. Also entweder du hältst die Klappe, dann musst du es eben ertragen, was scheiße ist, oder du regst dich auf, und dann kriegst du die Kritik: „Du regst dich ja immer nur auf!“. Dass das so durch diesen sexistischen Doppelstandard ausgehebelt wird, ist sehr anstrengend. Und ich finde es auch immer wieder krass, wie das bei Männern gewertet wird: „Ja, der haut halt mal ordentlich auf den Tisch, der hat die Hosen an und der sagt halt, was Phase ist!“ Aber wenn Frau das macht, dann ist es einfach nur nervig und sie soll sich mal nicht so haben und nicht so hysterisch sein.

 

  1. Erzähle von einer Situation, in der du bemerkt hast, dass es von Vorteil ist, zur Gruppe der Frauen/Männer zu gehören.

Als ich mal mit meinem Fahrrad unterwegs war und nicht auf dem Radweg fuhr, weil da Glasscherben lagen – Willkommen in Berlin! – und ich dann aber von einer Fußstreife, einem Polizisten angehalten wurde. Der war kurz davor, mir eine Geldstrafe deswegen zu verpassen, legitim, weil ich ja auf dem Bürgersteig gefahren bin. Aufgrund der Tatsache, dass ich so perplex war, hatte ich echt so ein bisschen feuchte Augen und war ziemlich durch den Wind. Und ich fürchte, da hat tatsächlich dieses Mädchenschema gegriffen, dass er dann doch noch ein Auge zugedrückt hat und meinte: „Ja, aber beim nächsten Mal nicht mehr!“

 

  1. Gibt es Situationen, in denen das Geschlecht keine Rolle spielt?

Ich wünsche mir das, und ich glaube, dass es auch durchaus möglich ist, aber so wie wir alle erzogen und geprägt sind und wie das so viele Aspekte des Alltags durchdringt, glaube ich, ist das derzeit leider nicht möglich. Es spielt ja selbst eine Rolle, wenn ich mich im Internet zum Beispiel in einem Chat als Mann ausgebe, damit ich sonst in Ruhe gelassen werde. Also insofern gibt es solche Räume, glaube ich, leider gerade nicht.

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–> Wer gerne weiterlesen möchte, >hier< geht es zur Liste derer, die am Blogstöckchen #WasAndersWäre teilgenommen haben.

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